Die “Rickmer Rickmers“ ist als Museumsschiff wichtiges Touristenziel im Hafen. Dreimaster von 1896 hat eine wechselvolle Geschichte.

Hamburg. Der Dreimaster mit seinem glänzend grünen Rumpf dürfte zu den meistgezeigten Postkartenmotiven Hamburgs gehören. Fest vertäut liegt die "Rickmer Rickmers" an den Landungsbrücken und zählt mit rund 130 000 Besuchern im Jahr zu den bestbesuchten Privatmuseen der Stadt. Edle Hölzer im Inneren, ein gemütliches Restaurant und Ausstellungen zur Geschichte von Seefahrt und Windjammern finden sich in den früheren Frachträumen. Die Decksaufbauten sind gut in Farbe, und ein Blick hoch in die restaurierten Masten, zu Rahen und Wanten, lässt ahnen, wie hart das Leben einmal an Bord war, als die Seemänner dort bei jedem Wetter gearbeitet haben.

+++ Lebendige Geschichte +++

+++ An Deck +++

Wenig indes erinnert daran, wie das Schiff noch vor etwa 30 Jahren aussah. Rostig, mit gekappten Masten und von einem Schlepper gezogen, kam es in Hamburg an. Drei Jahre lang arbeiteten mehrere Dutzend Helfer daran, klopften Rost, schraubten, malten. Vor 25 Jahren schließlich wurde für die einstige Hamburger Bark eine eigene Stiftung gegründet - seit 4. September 1987 ist sie als Museumsschiff für die Öffentlichkeit geöffnet. Am Wochenende feiert die Stiftung an Bord daher nun ihr 25-jähriges Bestehen.

Und längst ist das Schiff als Teil der maritimen Kultur im Norden etabliert. "Wir verstehen uns durchaus auch als Bildungseinrichtung", sagt Melanie Leonhard. Die 35 Jahre alte Historikerin hat über die Geschichte der Rickmers-Reederei promoviert und verantwortet an Bord den musealen Teil. Vor einem großen, aus dem Hintergrund beleuchteten Schwarz-Weiß-Foto bleibt sie beim Rundgang kurz stehen: ein Mannschaftsbild aus den ersten Jahren des 1896 gebauten Dreimasters. Vier Jungen sitzen in der vorderen Reihe, schauen skeptisch den Fotografen an. 13, vielleicht 14 Jahre alt sind sie. "Wir wissen, dass sie es sehr schwer hatten, ein, zwei Jahre waren sie von zu Hause weg, hatten oft Heimweh", sagt Melanie Leonhard.

Es sind gerade solche Fotos und Geschichten, die die Schulkinder von heute bei einem Rundgang am meisten beeindrucken: Sechs, acht und mehr Wochen dauerte zu jener Zeit eine Überfahrt, erfahren die jungen Besucher dann. Und dass die Zeit der großen Windjammer eigentlich schon vorbei war, als die "Rickmer Rickmers" in Bremerhaven vom Stapel lief. "Aber es gab Nischen, wo Frachtsegler sich gegenüber Dampfschiffen rechneten", sagt die Schifffahrtshistorikerin. Reis aus Birma, Kohle nach Asien - solche Massengüter, die "nicht zeitkritisch" waren, transportierte die "Rickmer Rickmers". Ursprünglich war sie als Vollschiff mit den vielen rechteckigen Rah-Segeln getakelt. Doch bei einem Orkan 1904 musste die 25-köpfige Mannschaft den hinteren Mast kappen, weil zerfetzte Segel, Fallen und Wanten das Schiff bedrohten. Bei der Reparatur ließ die Reederei das Schiff zu einer Bark umriggen: Am hinteren Mast werden seitdem Gaffelsegel gefahren. Damit war das Schiff hoch am Wind nicht mehr so schnell, weil die Segelfläche geringer war - doch sie ließ sich leichter fahren und bedienen. Vergleichbar mit einer Umrüstung von Superbenzin auf Diesel. "Das sparte Kosten", sagt Historikerin Leonhard.

Dennoch: Die Zeit für Windjammer war vorbei, die Marktnischen wurden immer kleiner. 1912 wurde die "Rickmer Rickmers" an die Hamburger Reederei Krabbenhöft verkauft und transportierte als "Max" vor allem Salpeter von Chile nach Europa.

1914 war die Mannschaft auf dem Weg nach Westafrika, als sie vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges überrascht wurde. Sie solle einen neutralen Hafen aufsuchen - so die Order aus Hamburg. Die "Max" ging daher vor den portugiesischen Azoren vor Anker. Dort wurde sie von Portugal bald beschlagnahmt. Die Hamburger Seeleute mussten auf eigene Faust zurück, mancher blieb ganz dort. "Das ist sehr schlecht dokumentiert, was aus den Leuten geworden ist", sagt Melanie Leonhard.

Wenig später übernahm schließlich die portugiesische Marine den Windjammer. Aus der früheren "Rickmer Rickmers" wurde das Schulschiff "Sagres". Ein eindrucksvoller Dreimaster mit weißem Rumpf und weißen Segeln, der viele Regatten gewann. Aus dieser Zeit stammt auch mancher Umbau, der heute das eher edle Ambiente unter Deck ausmacht. 1962 wurde die Bark außer Dienst gestellt, aus dem stolzen Segler wurde ein schwimmendes Munitionsdepot. Doch in den 1970er-Jahren gründen Reeder und engagierte Bürger um den inzwischen verstorbenen Wilhelm "Fiete" Schmidt" an der Elbe den Verein Windjammer für Hamburg. In dieser Zeit setzt sich der Container als universeller Transportbehälter immer mehr durch.

"Die Vereinsgründer wollten aber ein Fenster in die maritime Vergangenheit Hamburg behalten", sagt "Rickmers"-Historikerin Leonhard. Viele Kaufüberlegungen gibt es: etwa die "Passat", die heute in Travemünde liegt, zu holen. Oder die legendäre "Peking", die heute in New York als Museumsschiff vor sich hin rottet, wie Leonhard sagt. Schließlich kommt der Verein auf die einstige "Rickmer Rickmers", die 1983 zum Hafengeburtstag per Schlepper wieder nach Hamburg an die Landungsbrücken gelangt - als trauriger Rest mit gekappten Masten. Von dort wird das Schiff an den Europakai der damals noch existierenden Werft HDW verholt.

Mithilfe der Werft und anderer Hafenfirmen beginnen die ersten Arbeiten. Nach einem Aufruf melden sich zudem 50 freiwillige Helfer, die weitermachen, um einen Überblick über alle Schäden zu bekommen. 1984 kommen ABM-Kräfte hinzu, das Schiff geht ins Dock, der Rumpf wird mit Ultraschall auf Durchrostung untersucht, das Deck erneuert, die Takelage wieder vervollständigt - bis die "Rickmer Rickmers" 1987 wieder an den Landungsbrücken festmachen kann. Zwar nicht mehr als Windjammer mit fernen Zielen, dafür als Museumsschiff, das selbst Ziel ist.