Nach fast zwei Jahren Seeräuber-Prozess begannen am 98. Verhandlungstag die Plädoyers.

Neustadt. Der Piraten-Prozess vor dem Hamburger Landgericht nähert sich seinem Ende: Gestern, am 98. Verhandlungstag, haben die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung mit ihren Schlussvorträgen begonnen. Allerdings hatte die Staatsanwaltschaft bereits Ende Januar plädiert und Freiheitsstrafen zwischen vier und elfeinhalb Jahren für die zehn somalischen Angeklagten gefordert. Nach Anträgen der Verteidigung wurde damals jedoch die Beweisaufnahme wieder eröffnet.

+++ Schon mehr als eine Million Euro für Piraten-Prozess +++

Im zweiten Anlauf forderte die Staatsanwaltschaft erneut eine Gesamthaftstrafe von 81 Jahren, wich aber bei zwei Angeklagten von ihren Januar-Anträgen ab: Im Fall des Angeklagten Abdul K., 29, fordert sie nun sechs statt acht Jahre Haft. Grund: Er habe ein umfassendes Geständnis abgelegt und zur Aufklärung beigetragen. Abdul K. war der erste Angeklagte im fast zwei Jahre andauernden, nach Abendblatt-Informationen rund 1,2 Millionen Euro teuren Mammutprozess, der detailliert Auskunft gab über den bewaffneten Überfall auf den Hamburger Frachter "Taipan" im April 2010. Damals hatten die Männer laut Anklage die "Taipan" gekapert, um die Crew gefangen zu nehmen und Geld zu erpressen. Nach wenigen Stunden befreite die niederländische Fregatte "Tromp" die Besatzung.

Mit seiner Aussage im Februar belastete Abdul K. auch den Mitangeklagten Achmed A. schwer. Der 28-Jährige sei "der Chef" gewesen. Die Staatsanwaltschaft forderte deshalb gestern für ihn eine höhere Strafe: Statt zehn soll er nun zwölf Jahre hinter Gitter. Thomas Jung, Verteidiger des Angeklagten Abdul W., warf der Staatsanwaltschaft vor, völlig unzureichend auf die Lebensumstände der Angeklagten und die politische Situation in Somalia eingegangen zu sein. Gleichsam "zynisch" habe sie unter den Schlagworten "schwierige ökonomische Situation" das schlimme Schicksal auch seines Mandanten abgehandelt. Erneut forderte Jung, das Verfahren gegen ihn einzustellen, da er bei dem Angriff erst 13 Jahre alt gewesen sei. Aus seiner Sicht hätten dies auch Gutachten, die sein Alter auf etwa 20 Jahre taxieren, nicht widerlegt. Seine Kollegin Nicola Toillie forderte, ihn zu höchstens zwei Jahren Jugendstrafe zu verurteilen. Der Prozess wird heute fortgesetzt.