Der angeschlagene Buchhändler gibt sechs Standorte in Nordrhein-Westfalen auf. Verhandlungen laufen auch in Hamburg.

Hamburg. Buchhandlungen groß wie Kaufhäuser mit Lesesofas, Rolltreppen, Cafés und Stöberecken für Geschenke: Thalia verfolgte in den vergangenen Jahren die Vision, die Branche neu zu erfinden. Der Buchkauf sollte zum Erlebnis werden, Literatur zum Lifestyle. Die Kunden kamen, blätterten in Bildbänden, gönnten sich einen Kaffee, ließen sich inspirieren. Nur eines taten sie zuletzt zu selten - zu wenige kamen in die bundesweit 300 Filialen, um Bücher zu kaufen.

Inzwischen bestellen die Deutschen fast jedes vierte Buch im Internet. Das bekommt die ganze Branche zu spüren, auch Marktführer Hugendubel muss umdenken. Besonders stark im Fokus steht aber Thalia: Die ehemals Hamburger Gruppe gehört heute zum börsennotierten Douglas-Konzern. Und seitdem die erwarteten Umsätze fehlen, bleibt bei der Buchtochter kaum ein Stein auf dem anderen. Der starke Wachstumskurs der Vergangenheit, auf dem sich das Unternehmen immer wieder einzelne Buchhandlungen, aber auch ganze Ketten einverleibte, verkehrt sich ins Gegenteil.

+++ Thalia muss sich wandeln +++

Allein in Nordrhein-Westfalen werden jetzt sechs Filialen geschlossen. In Hamburg versucht Thalia, sich von einzelnen Etagen der Läden im Alstertal-Einkaufszentrum (AEZ) und in der Europa-Passage zu trennen, erfuhr das Abendblatt aus der Branche. Bevor in naher Zukunft zwei Geschäfte in Wuppertal, sowie Standorte in Essen, Dortmund und Bonn schließen, hatte Thalia vor einiger Zeit bereits das Ende einer Filiale in Köln verkündet. Insgesamt will sich Thalia bundesweit von bis zu 15 unrentablen Geschäften trennen. Auch betriebsbedingte Kündigungen könnten dabei nicht ausgeschlossen werden, so eine Thalia-Sprecherin. Insgesamt arbeiten 5270 Beschäftigte für die Buchgruppe.

+++ Buch-Tochter Thalia drängt Douglas in die Krise +++

Unter anderem in Hamburg, wo die Familie Könnecke den Grundstein des Unternehmens vor mehr als 90 Jahren im Gebäude des Thalia-Theaters gelegt hatte, verfolgt Thalia vorerst aber noch einen Plan B, um möglichst viele Filialen retten zu können. In drei der zwölf Standorte in der Hansestadt präsentiert Thalia neue Lifestyle-Welten, um die Verkäufe anzukurbeln.

Dabei soll das bestehende Sortiment in den Filialen im Tibarg-Center, im Harburger Phoenix-Center und im Quarree Wandsbek neu gebündelt werden, etwa zu den Themen Kochen & Genießen, Schöner Lesen oder Kind & Familie. Bei den Spielwaren kooperiert Thalia mit dem US-Anbieter Toys"R"us, sagte eine Thalia-Sprecherin dem Abendblatt. Dagegen hat Thalia die probeweise vereinbarte Partnerschaft mit dem Spielwarenfilialisten Spiele Max beendet.

+++ Jobabbau droht: Thalia will Filialen verkleinern +++

Eine Sonderstellung innerhalb des Douglas-Konzerns nehmen die Hamburger Filialen trotz ihrer besonderen Tradition heute aber nicht mehr ein. Jürgen Könnecke aus der Gründerfamilie hatte sich kürzlich aus dem Gesellschafterkreis der Thalia-Holding zurückgezogen. Der langjährige Thalia-Chef und seine Familie verkauften ihren Anteil von 25 Prozent und schieden damit aus dem Unternehmen aus. Ob auch in Hamburg Thalia-Standorte geschlossen werden sollen, ließ die Firmensprecherin gestern weiter offen.

In Süddeutschland experimentiert Thalia ebenfalls mit Partnerschaften, um Mietfläche loszuwerden, zugleich aber mehr Kunden in die Geschäfte zu holen. In drei Filialen, in Nürnberg, Heidelberg und dem Main-Taunus-Zentrum eröffnet das Unternehmen YellowKorner auf Thalia-Flächen Shop-in-Shops. Die französische Firma verkauft Abzüge von zeitgenössischen Fotokünstlern in nummerierter Auflage. Eine "Kunstgalerie für Jedermann" nennt YellowKorner seine Nische.

Das Douglas-Management wird beim Umbau der Thalia-Gruppe zwar von einer Unternehmensberatung unterstützt, dürfte aber dennoch an seiner Kapazitätsgrenze angelangt sein. Denn auf der Zentrale in Hagen lasten weitere schwere Herausforderungen. Wegen Thalia droht der Douglas-Gruppe in diesem Jahr ein Verlust. Neben dem Buchbereich hatten aber auch die Douglas-Sparten Hussel (Süßwaren) sowie AppelrathCüpper (Mode) zuletzt nicht mehr den erwarteten Ertrag abgeworfen. Außerdem gibt es Gerüchte über eine neue Eigentümerstruktur. Planspiele von Mitinhaber Jörn Kreke, die Gruppe mithilfe von Investoren von der Börse zu nehmen, hatten schon zu Jahresbeginn für Unruhe gesorgt.

Laut "Financial Times Deutschland" soll der US-Investor Advent an einem Übernahmeangebot für das Unternehmen arbeiten. Angeblich soll Advent mit der Oetker-Gruppe bereits den größten Douglas-Aktionär auf seine Seite gebracht haben. Auch mit dem Drogerieunternehmer Erwin Müller sei sich Advent handelseinig. Damit wäre dem Investor die Mehrheit an Douglas so gut wie sicher. Oetker hält 25,8 Prozent, Müller 10,8 Prozent. Der Unternehmer aus Ulm hat über Optionsgeschäfte zudem noch Zugriff auf weitere rund 15 Prozent. Auch wenn Thalia bei Douglas als Sorgenkind gilt, mit seinen Parfümerien und der Schmuckkette Christ agiert der Handelskonzern sehr erfolgreich. Bei einem Umsatz von 3,4 Milliarden Euro machte der Konzern einen Gewinn vor Steuern von knapp 140 Millionen Euro. Damit ist Douglas durchaus ein interessanter Kauf.