Deutschlands erfolgreichster Yachtenbauer über seine Pläne in Hamburg, die Konkurrenz Blohm + Voss und HSV-Star Rafael van der Vaart.

Hamburg. Er wollte die Hamburger Traditionswerft Blohm + Voss kaufen, doch sein Angebot wurde brüsk abgelehnt. Nun ist er doch als Unternehmer an der Elbe angekommen. Friedrich Lürßen, der Chef der Bremer Werftengruppe Lürssen, wird zum 1. Oktober die Hamburger Norderwerft übernehmen, die bisher zur Sietas-Gruppe gehörte. Das Abendblatt traf den 63-jährigen Diplom-Kaufmann und erfolgreichen Yachtenbauer am Rande der weltweit größten Schiffbaumesse SMM in den Hamburger Messehallen.

Hamburger Abendblatt: Am 1. Oktober übernehmen Sie die Norderwerft in Hamburg. Was planen Sie genau?

Friedrich Lürßen: Die Werft hat ein vernünftiges Reparaturgeschäft für Schiffe im Hamburger Hafen und für Containerfrachter bis 170 Meter Länge. Das Geschäft werden wir uns jetzt erst einmal anschauen und feststellen, ob die Belegschaft damit voll ausgelastet ist. In jedem Fall werden wir in Hamburg mit Augenmaß investieren. Möglich wäre bei guter Auftragslage in Bremen aber auch, dass wir hin und wieder eine Yacht auf der Norderwerft reparieren.

Wird es zum Abbau von Stellen kommen?

Lürßen: Nein, weil wir in Hamburg langfristig arbeiten wollen. Die Werft war kein Schnäppchen. Da macht es wenig Sinn, Anlagen oder die Belegschaft abzubauen. Die 95 Mitarbeiter, die wir übernommen haben, brauchen wir. Es ist gut möglich, dass wir das Geschäft noch ausbauen.

Sie sind der erfolgreichste Yachtenbauer in ganz Deutschland. Wie lautet Ihr Geheimrezept?

Lürßen: (lacht) Das werde ich Ihnen auch gerade erzählen. Aber mal im Ernst: Ich denke, wir haben in den vergangenen Jahren vieles richtig entschieden und hart gearbeitet. Ende der 1980er-Jahre haben wir uns mit dem Yachtbau unabhängiger von Militärschiffen gemacht und sind behutsam gewachsen. Zudem haben wir einen exzellenten Produktionsablauf und ein weit verzweigtes Netzwerk im Vertrieb, den mein Vetter verantwortet. So haben wir uns in der Branche einen sehr guten Ruf erarbeitet.

Wie entscheidend ist für Ihren Erfolg, dass Sie ein Familienbetrieb sind?

Lürßen: Immens wichtig. Denn wir müssen nicht in Quartalen denken, sind nicht ständig Dritten Rechenschaft schuldig. Wir können in Ruhe und auf kurzen Entscheidungswegen handeln.

Wie ist die aktuelle Auftragslage?

Lürßen: Wir können uns nicht beschweren, haben gerade eine Yacht abgeliefert und bauen derzeit noch fünf weitere. Bis in das Jahr 2014 haben wir Vollbeschäftigung. Und unsere letzte Ablieferung ist auf das Jahr 2016 terminiert. Zudem arbeiten wir den Fregattenauftrag für die Deutsche Marine ab und bauen ein Küstenwachboot für Brunei.

Wie kompliziert ist es derzeit, neue Yachtenaufträge an Land zu ziehen?

Lürßen: Wir merken schon, dass die Euro-Schuldenkrise die potenziellen Käufer verunsichert. Die Menschen werden vorsichtiger bei großen Investitionsentscheidungen - das gilt selbstverständlich auch für Yachten.

Wann erwarten Sie Ihren nächsten Yachtenauftrag?

Lürßen: Eine Antwort darauf wäre Kaffeesatzleserei.

Bei ihrem Konkurrenten Blohm + Voss wollte man Sie 2011 als Käufer nicht haben. Hat Sie die Ablehnung enttäuscht?

Lürßen: Das hat mich schon ein wenig überrascht - und auch enttäuscht. Schließlich habe ich nichts Böses im Schilde geführt. Was ich mir an Vorwürfen von einigen Personen anhören musste, habe ich ehrlich gesagt nicht verstanden. Aber offensichtlich sind wir mit unserem Angebot einfach zu spät gekommen. ThyssenKrupp war sich wohl schon mit dem britischen Finanzinvestor einig.

Wie ist heute Ihr Verhältnis zu Blohm+Voss-Chef Herbert Aly, der eine Übernahme durch Lürssen auch vehement torpediert hat?

Lürßen: Ich bin nicht nachtragend. Herr Aly hat für seine Interessen gekämpft - und das Thema ist nun Vergangenheit. Wir sind Kollegen, sitzen sogar zusammen im Präsidium des Schiffbauverbandes. Das Leben geht weiter.

Die Schifffahrtskrise bringt immer mehr Werften und Reeder an den Rand des Ruins. Wie prekär ist die Lage?

Lürßen: Die nächsten Jahre werden nicht einfach. Die Offshore-Projekte kommen nur langsam voran. Ich hoffe, dass die deutschen Werften mit derzeit rund 16 000 Mitarbeitern nicht noch weiter dramatisch schrumpfen. Wie es weitergeht, wird auch davon abhängen, ob die anderen Firmen der Sietas-Gruppe weiterarbeiten können und natürlich davon, was aus den P+S Werften in Wolgast und Stralsund wird. Ich gehe davon aus, dass es dort eine Lösung geben wird, aber sicher mit weniger Beschäftigten als heute.

Was machen die bedrohten Werften falsch?

Lürßen: Betroffen von der Krise sind Unternehmen, die zu lange am Bau von Standardhandelsschiffen festgehalten haben. Sie waren dann von Stornierungen betroffen und haben ihre finanziellen Reserven verloren. Schließlich half nur noch, sich auf neue Produkte wie Bagger oder Fähren zu stürzen. Es war eine Flucht nach vorn. Aber für solche Schiffe fehlte dann qualifiziertes Personal. Das konnte nicht gut gehen.

Nun ist P+S insolvent. Haben Sie Interesse, dort einzusteigen?

Lürßen: Nein. Denn die Stralsunder Werft ist für uns zu groß, und die Werft in Wolgast hat keine Chancen mehr im Containerschiffbau. Dieses Geschäft hat sie endgültig an Korea und China verloren. Bei Marineschiffen gibt es zudem immer weniger Aufträge. Vielleicht besteht ja die Möglichkeit, dass die ostdeutschen Werften sich insgesamt auf den Bau von Offshore-Plattformen oder Umspannanlagen konzentrieren. Hier sind die Nordic-Betriebe in Wismar und Rostock ja bereits aktiv.

Denken Sie über weitere Zukäufe nach?

Lürßen: Im Moment nicht. Wir konzentrieren uns jetzt auf die Norderwerft. Damit haben wir genug zu tun.

Viele Familienunternehmen haben Probleme mit der Nachfolge. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Lürßen: Wir planen bei Lürssen sehr langfristig. Mein Sohn ist jetzt 30 Jahre alt und bereits im Yachtenbereich für Lürssen tätig. Zudem ist mein Vetter zehn Jahre jünger als ich und steht für weitere Aufgaben im Unternehmen bereit. Aber derzeit denke ich noch nicht ans Aufhören.

Zum Schluss noch eine Frage an Sie als Werder-Fan. Auf welchem Tabellenplatz landet Bremen am Ende der Bundesliga-Saison?

Lürßen: Wir sind in einer Saison des Umbruchs. Deshalb wäre ich froh, wenn Werder nach dem letzten Spieltag im oberen Drittel der Tabelle steht.

Und wo der HSV?

Lürßen: (lacht) Jetzt muss ich vorsichtig sein. Ich denke, dass den Hamburgern mit der Verpflichtung Rafael van der Vaarts ein geschickter Schachzug gelungen ist. Das wird der Mannschaft Auftrieb geben. Ich war auf jeden Fall froh, dass van der Vaart vergangenen Sonnabend noch nicht beim Derby im Weser-Stadion dabei war. Als Werder-Fan hoffe ich natürlich, dass wir letztlich in der Tabelle vor dem HSV landen.