Erfolgreiches Hamburger Projekt. Menschen mit Handicap pflücken Äpfel. Den Saft daraus gibt es unter anderem in Feinkostläden.

Hamburg. Christian Langrock steht in einem Garten in Wilhelmsburg, im angenehm kühlen Schatten eines Apfelbaumes. Saftig grün hängen die Früchte an den Ästen, im Hintergrund ragen die Flügel einer Windmühle in den Himmel. Das idyllische Fleckchen Erde mit der grünen Streuobstwiese gehört einer Familie, die bisher für viel zu viele Äpfel zu wenige Abnehmer hatte. Heute zählen die Wilhelmsburger zu den Spendern der Firma Das Geld hängt an den Bäumen - ein Projekt, in dem Beschäftigte mit Behinderung Äpfel pflücken und daraus später Saft hergestellt wird.

Die Idee ging vor drei Jahren mit einem einzigen Garten an den Start - heute steht Christian Langrock, 42, gemeinsam mit Gründer Jan Schierhorn, 43, als Geschäftsführer einem Projekt vor, das eine ganze Reihe von Obstwiesen aberntet und längst eine Saftmarke etabliert hat. "Wir setzen in dieser Saison etwa 70 000 bis 80 000 Euro um und damit doppelt so viel wie im vergangenen Jahr", freut sich Langrock. Zu den Abnehmern gehören Edeka-Läden, Feinkostgeschäfte wie Mutterland und Kruizenga, Manufactum, die bekannte Köchin Cornelia Poletto oder das Weinhaus Gröhl in Eppendorf. Außerdem kaufen Firmen wie Google die kleinen 0,2-Liter-Flaschen für ihre durstigen Konferenzteilnehmer. Einen Teil der Erlöse erzielt Langrock auch über das Internet und im Lieferservice der Firma, die für die 0,75-Liter-Flasche Direktsaft 2,45 Euro nimmt.

Der Saftanbieter misst seinen Erfolg allerdings nicht nur in Euro: Gründer Jan Schierhorn arbeitet seit dem ersten Tag ehrenamtlich für sein gemeinnütziges Projekt, das beim bundesweiten Wettbewerb "365 Orte im Land der Ideen" ausgezeichnet wurde. Der Familienvater aus Groß Borstel hatte genug von Smalltalk und Feierei, wollte etwas Sinnvolles tun.

Auch Langrock hat sich nach Stationen bei Otto, Parship und Immonet für ein neues Leben fernab der Gewinnmaximierung entschieden, der Diplom-Ingenieur stieg im vergangenen Jahr bei Das Geld hängt an den Bäumen ein. Während Schierhorn als Gesellschafter einer Marketingfirma genügend Geld verdient, arbeitet Langrock heute an zwei Tagen nebenbei noch als Unternehmensberater, um einen Beitrag zum Haushaltseinkommen seiner Familie mit zwei Kindern leisten zu können. "Unsere Idee ist, den Menschen eine sinnvolle Arbeit geben zu können und Dinge, die sonst im Abfall landen oder verrotten, sinnvoll zu nutzen", sagt Langrock. Es mache einen Unterschied, ob die Mitarbeiter, die sonst für die Elbe-Werkstätten arbeiteten, als Dienstleister für Ikea Schrauben eindrehten oder mit dem Apfelsaft ein Produkt schafften, mit dem sie sich identifizieren könnten.

Nach dem Ausflug zur Obstwiese erklärt Langrock in der "Zentrale" der Firma in Wilhelmsburg, welche alternativen Aufgaben die Mitarbeiter neben der Ernte noch übernehmen können. "Das hört mit Holzsammeln in den Gärten für Kaminholz oder dem Zusammenbau der Kisten für die Flaschen noch lange nicht auf. Manche Mitarbeiter kommen auch zum Verkaufen mit auf den Markt und freuen sich dort über das Lob der Kunden", sagt der gebürtige Wilhelmshavener und schaut ins Lager, in dem sich vom Boden bis zur Decke die Saftkisten stapeln. Die handgefertigten Holzkisten seien bei den Abnehmern so begehrt, dass sie sie lieber in der Küche stehen lassen, als Pfand zurückzuverlangen.

Auch mit einfachen Werkzeugen statt Maschinen, oder Anhängern an den Flaschen statt Aufklebern, schafft die Firma Arbeitsschritte, die für jeden zu bewältigen sind. Die Arbeit bringt für die Menschen mit Behinderung nicht nur Bestätigung und ein neues Selbstwertgefühl, sondern auch Einnahmen: Die von den Elbe-Werkstätten ausgeliehenen Beschäftigten erhalten rund 300 Euro im Monat von Das Geld hängt an den Bäumen. Dazu kommen noch einmal zwei Angestellte bei der Firma selber, die sonst auch weniger Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt hätten und 1200 Euro verdienen.

Ausgelagert ist bei dem Projekt bisher noch die Saftherstellung, die ein Betrieb in Niedersachsen übernimmt. Mit dem erreichten Ziel, einige benachteiligte Menschen in Lohn und Brot zu bringen, sind Schierhorn und Langrock allerdings noch nicht am Ende ihrer Wünsche: "Wir wollen die Mosterei und eine Art gläserne Manufaktur irgendwann selbst in Hamburg aufbauen", sagt Langrock. Für diesen Traum suchen die Manager einen Resthof in Hamburg, und zwar nicht nur als Ort zum Arbeiten. Ein solcher Bauernhof könnte eines Tages auch als Zuhause für die Mitarbeiter dienen. Am besten mit einer Obstwiese im Garten.