Die “Haushaltsreste“ nehmen ein bedrohliches Ausmaß an - der Senat will sie langsam zurückführen. Doch das Geld hat die Stadt eigentlich gar nicht.

Hamburg. Das Phänomen kennt fast jeder Arbeitnehmer. Wenn er von seinen, sagen wir, 30 Urlaubstagen in einem Jahr nur 25 nimmt, bildet er fünf Tage "Resturlaub", die er im nächsten Jahr nehmen muss. Nimmt er von dann 35 Tagen aber wieder nur 25, wächst der Resturlaub schon auf zehn Tage an.

Nach einem ähnlichen Prinzip entstehen auch Ausgabereste im Haushalt. Nur: Was für Arbeitnehmer nützlich sein kann, wächst Hamburg langsam über den Kopf. Denn diese Reste haben eine Summe von exakt 2.237.972.985,23 Euro erreicht - also mehr als 2,2 Milliarden Euro. Das heißt: Zusätzlich zu den gut 11,5 Milliarden Euro, die der Etat für 2012 umfasst, dürfte die Stadt noch einmal knapp 20 Prozent mehr ausgeben - Geld, das sie aber gar nicht hat. CDU-Finanzexperte Roland Heintze, auf dessen Anfragen der SPD-Senat die Zahlen genannt hat, spricht daher von einem Loch im Haushalt. "Zur Finanzierung könnten nur die Allgemeine Rücklage, Vermögensverkauf oder zusätzliche Schuldenaufnahme herangezogen werden." Auch der Rechnungshof habe schon auf dieses Risiko hingewiesen, so Heintze. Er fordert daher, die Ausgabereste zumindest in Teilen zu streichen: "Zur Not muss es einen Schnitt geben, der die Ausgabeerlaubnis radikal reduziert."

+++ Etat mit 12 Milliarden Euro: Schwerpunkt Kinder und Wohnen +++

+++ Finanzsenator: Ein Haushalt fast ohne Schulden +++

+++ Staat erzielt Überschuss im ersten Halbjahr 2012 +++

Flughafen-S-Bahn ist noch nicht ganz bezahlt - Rest: 15,3 Millionen Euro

2005 lag das Volumen der Reste noch bei 874 Millionen Euro. In den Folgejahren ist es sprunghaft angestiegen, lag 2008 erstmals knapp über einer Milliarde Euro und 2010 schon bei 1,96 Milliarden. Der Grund ist vor allem in der Abschaffung des "Dezember-Fiebers" Ende der 90er-Jahre zu suchen. Bis dahin war es in Behörden üblich, das noch übrige Geld am Jahresende auf Biegen und Brechen auszugeben, und sei es für Klopapier oder Bleistifte - andernfalls hatte man ja kein Argument, warum man im nächsten Jahr wieder die gleiche Summe benötigt. Durch die Restebildung wird Sparsamkeit nicht mehr bestraft: Wer eine veranschlagte Summe nicht ausgibt, kann sich die Ausgabeermächtigung der Bürgerschaft mit Zustimmung der Finanzbehörde um bis zu zwei Jahre verlängern lassen. Entscheidend dabei: Die Zweckbindung muss erhalten bleiben, ein übertragener Ausgaberest darf nicht für etwas anderes ausgegeben werden. Zwei Beispiele: 2011 stockten einige Investitionen für die Internationale Bauausstellung (IBA 2013). Daher wurden geplante Ausgaben in Höhe von 21,3 Millionen Euro auf 2012 übertragen. Und die seit Jahren fertige S-Bahn zum Flughafen ist noch nicht komplett bezahlt. Daher steht für 2012 noch ein Rest von 15,3 Millionen Euro in den Büchern.

Die Finanzbehörde teilt Heintzes Kritik im Prinzip: "Die Bildung von Resten ist zur Vermeidung des Dezember-Fiebers zwar völlig in Ordnung", so Sprecher Daniel Stricker. "Allerdings haben die Reste inzwischen ein aus Sicht des Senats bedrohliches Volumen angenommen." Ein weiterer Anstieg sei aber nicht mehr zu befürchten, da die Behörden den Auftrag haben, zwei Prozent ihrer Reste abzubauen.