30 000 Hamburger begrüßten die deutschen Olympioniken enthusiastisch und feierten eine goldreife Party

Hamburg. Tobias Hauke hat sich vorher ausgemalt, wie es sein würde, mit der "Deutschland" in seine Heimatstadt einzulaufen. Dass bestimmt einiges los wäre am Cruise Center in der HafenCity. Viele Freunde und Vereinskollegen vom Harvestehuder THC hatten sich angekündigt, und wenn auch die anderen 216 deutschen Athleten an Bord in ihrem persönlichen Umfeld ein wenig getrommelt hätten, wäre schon das ein netter Empfang gewesen.

Aber als das "Traumschiff" gestern Morgen gegen 8.35 Uhr Wedel erreicht, dämmert dem nun zweimaligen Hockey-Olympiasieger, dass er sich grob verschätzt hat. Hunderte Menschen säumen das Ufer und winken. Eine Schulklasse von den vielen, deren Lehrer unterrichtsfrei gegeben haben, um mitfeiern zu können, intoniert Begrüßungslieder. Mitglieder der LG Wedel-Pinneberg hissen die Vereinsfahne. Und rund um das Kreuzfahrtschiff, mit dem ein Großteil des deutschen Olympiateams aus London kommend nach Hamburg gereist ist, reihen sich immer mehr Barkassen, Schlepper und Elbfähren ein, die Wasserfontänen ausstoßen und mit "Wir für Deutschland" ausgeflaggt sind, dem Motto der Olympiamannschaft für die Spiele. Gunter Persiehl, der Kommodore des Norddeutschen Regatta Vereins, eskortiert mit einem eigenen Boot, ebenso die Familie der Hamburger Seglerinnen Kathrin Kadelbach und Friederike Belcher.

"Überwältigend, das übertrifft all meine Erwartungen", sagt Hauke. Wer konnte auch ahnen, dass die Finkenwerder Feuerwehr zu Ehren der Mannschaft Blaulicht und Sirenen anwerfen würde? Dass wildfremde Menschen vor Freude Böllerschüsse abgeben und Feuerwerkskörper zünden würden? Dass sie im Hotel Louis C. Jacob weiße Laken aus Fenstern und von der Terrasse schwenken würden? Dass die Fans bei Sonnenschein und wolkenlosem Himmel bereits in Altona zu Hunderten stehen und Sprechchöre anstimmen? "Das kannte ich bisher nur vom Fußball", sagt Turner Fabian Hambüchen. Und dass ihm vorher gar nicht bewusst gewesen sei, dass Hamburg solch einen herrlichen Anblick zu bieten habe wie jetzt, da sich die Umrisse der Innenstadt und des Hafens abzeichnen.

Etwa 30 000 Hamburger, so wird später geschätzt, bereiten der Mannschaft einen triumphalen Empfang. Mehr als ein Drittel davon sind zum Cruise Center gekommen, wo die "Deutschland" exakt 36 Stunden nach der Abfahrt von London um 10.30 Uhr festmacht. Auf dem Schiff, das während der Spiele an der Canary Wharf in den West India Docks als Treffpunkt für Athleten, Funktionäre und Gäste diente, ertönt eine Schnulzenversion der Nationalhymne. Die Sportler, die sich auf Deck 9 in 18 Metern Höhe versammelt haben, singen lieber selbst: "Oh, wie ist das schön." Dann machen sie sich auf den Weg nach unten. Haukes Hockeykollegen Moritz Fürste undFlorian Fuchs sind die Ersten, die hamburgischen Boden betreten, gefolgt von Natascha Keller und Kristof Wilke. DieHockey-Rekordnationalspielerin und der Schlagmann des Ruder-Achtershatten in London bei der Eröffnungs- und Schlussfeier die deutsche Fahne getragen - ein Gleiches tun die beiden jetzt beim Verlassen des Schiffs. "Soeinen sensationellen Empfang hätte ich im Traum nicht erwartet", betont Natascha Keller.

Inzwischen hat Bürgermeister Olaf Scholz die Athleten in Empfang genommen, die in Etappen auf der Showbühne des live übertragenden NDR interviewt werden und danach Autogramme schreiben. Scholz begleitet die Sportler auch auf der Barkassenfahrt, die sie zum Rathaus bringt. An der Strecke stehen wieder Hunderte Menschen, die begeistert winken und Fähnchen schwenken. Am Anleger Reesendamm empfängt frenetischer Jubel die Sportler, die auf einem blauen Teppich durch ein Spalier aus Reihen von Fans die letzten Schritte ins Rathaus gehen. Wer in ihre Gesichter blickt, als sie das Portal erreichen, sieht eine Mischung aus Glück und Ungläubigkeit und ein entrücktes Grinsen, das keiner von ihnen unterdrücken kann. "Es gibt keine andere Stadt in Deutschland als Hamburg, die so etwas in dieser Art hinbekommt", sagt Triathlet Jan Frodeno stellvertretend für viele.

Thomas Bach wählt gesetztere Worte, er darf als Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) nicht Partei ergreifen. Doch was er sagt, als sich die Athleten und ihre Begleiter im Großen Saal des Rathauses zur Senatsehrung versammelt haben, wo sich alle Goldmedaillengewinner ins Goldene Buch der Stadt eintragen, gleicht einem Ritterschlag. "Bravo, Hamburg, das war eine olympiareife Leistung", sagt Bach. Und dass "wir uns sehr freuen, dass Hamburg seineBereitschaft erklärt hat, sich erneut um die Austragung von OlympischenSpielen zu bewerben". Bürgermeister Scholz will eine solche Bewerbungnoch nicht zu vollmundig propagieren. "Hamburg hat einen langen Atem. Wofür, das wird sich zeigen", sagt er. "Aber dieser Empfang, der lässiger und stimmungsvoller nicht hätte sein können, war ein Zeichen dafür, dass wir eine sportbegeisterte Stadt sind, die auch große Ereignisse ausrichten kann."

Die Athleten, die den Abend imBeach-Club Strandpauli ausklingen ließen und sich spätestens heute auf den Weg in ihre Heimat machen, werden Olympische Spiele in Hamburg nicht als Aktive erleben können. Doch sie werden sich immer an die Begeisterung der Menschen, die sie hier empfangen haben, erinnern und die Nachricht verbreiten, dass Hamburg emotional bereit ist, Olympische Spiele auszurichten. An allem Weiteren gilt es nun zu arbeiten.