Deutsche Landwirte klagen über steigende Preise für Soja und weniger Einnahmen von Molkereien. “3000 bis 5000 Höfe werden nicht überleben“.

Hamburg. Die deutschen Milchbauern steuern drei Jahre nach dem letzten Preistief wieder auf eine Krise zu: Sie werden in die Zange genommen von drastisch steigenden Futtermittelkosten und sinkenden Milcherlösen. "Dieses Jahr werden 3000 bis 5000 Höfe nicht überleben", sagte Hans Foldenauer vom Verband Deutscher Milchviehalter. Im Mai 2011 waren noch 89 000 Betriebe gezählt worden. Auslöser der Krise ist die Dürre in den Soja-Anbaugebieten der USA, denn Soja ist ein wichtiges Kraftfutter für Kühe.

Seit Wochen treiben die ungewöhnlich hohen Temperaturen in Amerika mitten in der Hauptanbauzeit die Agrarpreise nach oben. Die Kurse für US-Terminkontrakte auf Mais, Weizen und Sojabohnen legten zwischen Anfang Juni und Mitte Juli in der Spitze knapp 33 bis gut 50 Prozent zu. Soja und Mais markierten Rekordhochs. Die Preise für das Futtermittel Sojaschrot sind von Januar bis Juli kräftig gestiegen, die Tonne kostet jetzt mehr als 500 Dollar (siehe Grafik). Für den Sojabohnen-Future war der vergangene Monat mit einem Plus von fast 14 Prozent der stärkste Juli seit 1983. Selbst saftige Sommerweiden mit kostenlosem Gras helfen den Bauern hierzulande nicht weiter. "Die Tiere brauchen Ergänzungsfutter", sagt Landwirt Foldenauer, "sonst können sie ihre Milchleistung nicht bringen." Eine durchschnittliche Milchkuh liefert 7000 Liter pro Jahr, manche kommen auf 10 000 Liter und mehr. Das Futter ist der größte Kostenblock.

Die Lage der deutschen Milchbauern war aber schon vorher nicht gut. "Wir können unsere steigenden Preise nicht an die Molkereien weitergeben", klagte Milchbauer Foldenauer. Der Grund ist klar: Der deutsche Milchmarkt fließt über, trotzdem wird nicht weniger produziert. Rund 30 Millionen Tonnen Milch zapfen die rund 91 000 deutschen Milchbauern jedes Jahr ab. Das wären umgerechnet 370 Liter für jeden Bundesbürger pro Jahr. Tatsächlich verbraucht jeder Deutsche rund 50 Liter Trinkmilch, plus Käse, Butter und andere Milchprodukte.

Laut Industrie gehen 46 Prozent der deutschen Milch in den Export. Eher unbeobachtet hat sich die deutsche Milchindustrie zu einem Riesen entwickelt, der in alle Welt liefert: Rund 22 Milliarden Euro setzt die Branche mit 29 000 Mitarbeitern im Jahr um. Große Konzerne wie Müller-Milch oder Ehrmann drängen in die Welt. Zurzeit sind die beiden Großmolkereien dabei, bei den US-Bürgern die Begeisterung für Joghurt zu wecken. Ihr Vorteil gegenüber der Auslandskonkurrenz: Deutschland ist vom Wetter her perfekt für Milchkühe, die Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit nicht leiden können.

Bei den Milchbauern kommt von dem Geldsegen aber immer weniger an. Laut Deutschem Bauernverband fiel der Durchschnittspreis im ersten Halbjahr um 5,4 Prozent auf knapp unter 30 Cent pro Liter. Die Bauern selbst halten erst 40 Cent für auskömmlich. Die Hoffnungen der Milchbauern ruhen jetzt auf den Herbstverhandlungen der Molkereien mit den mächtigen Handelsketten wie Aldi oder Edeka. Die Aussichten auf höhere Preise sind aber schlecht: Der Markt entscheide, wie viel Milch zu welchem Preis abgesetzt werde, sagt Björn Börgermann vom Milchindustrie-Verband. Immerhin: "Die Molkereien werden alles versuchen, bei den Verhandlungen mit dem Handel höhere Preise durchzusetzen."

Die Handelsketten sind aber hart: Die Tüte Vollmilch für 51 Cent ist ein Eckpreis, ein Fixpunkt, den der Kunde im Kopf hat und den der Laden nicht groß überschreiten darf. Tut er es doch, fühlt sich der Kunde übers Ohr gehauen und wandert ab. Allerdings: Bei Milchprodukten wie Käse oder Buttermilch ist der Druck lange nicht so hoch, weil die Kunden meist keinen Preis im Kopf haben - Industrie und Handel können weit profitablere Spannen durchsetzen.

Die deutschen Milchbauern sehen sich schon wieder in einer Lage wie vor der großen Milchkrise 2008/2009, als sie mit öffentlichen Aktionen wie dem Verschütten der Ware auf ihre schlechte Lage aufmerksam machten. "Wir brauchen 40 Cent pro Liter", sagte Foldenauer, "sonst geht es auf Dauer nicht."