Im Hamburger Welcome Center trifft man hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte wie den finnischen Zellforscher Teemu Karevaara.

Hamburg. "Bahrenfeld soll schön sein." Jedenfalls klingt der Hamburger Westen für einen finnischen Familienvater wie Teemu Karevaara reizvoll. Der immergrüne Volkspark liegt direkt ums Eck, zur Firma wäre es nur ein Katzensprung, und die nahe A 7 verspricht beste Anbindung für kleine Fluchten aus der großen Stadt. Eine Wohnung in Bahrenfeld - das wäre für ihn ideal.

Der Finne ist neu in Hamburg. Er ist einer von denjenigen, die die Elbmetropole zur "wachsenden Stadt" machen. Der Akademiker erfüllt alle Kriterien einer qualifizierten, ausländischen Fachkraft, deren Zuwanderung gerade kurz und innig diskutiert wurde. Noch arbeitet er als Zellforscher in Turku, wirkt für den Global Player PerkinElmar. Im Herbst folgt er einem Lockruf aus der Hamburger Unternehmensstelle, wird von Skandinavien an die Elbe übersiedeln. Seine Frau und die zwei Töchter sollen mitkommen - ebenso wie die ganz normalen Hoffnungen, Erwartungen und Ängste, die an jeden Neuanfang geknüpft sind.

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Rund 80000 Menschen wagen diesen Schritt jährlich. 20.000 dieser Zuwanderer sind Ausländer. Und für die meisten von ihnen gilt: neuer Job, neues Land, neue Sprache, neue Stadt - was nun? Wie jeder Neuankömmling muss sich auch der 34-Jährige Finne erst mal orientieren, wobei es in puncto Wohnungssuche nicht in beliebte Viertel wie Eppendorf, Eimsbüttel oder Ottensen gehen soll, sondern nach Bahrenfeld.

Um befähigte Zuwanderer an die Hand zu nehmen, gibt es seit April 2007 unter hohen Gewölbedecken eines Handelskammerflügels das Hamburg Welcome Center. Die Empfangshalle am Alten Wall ist erste Anlaufstelle für Neubürger. Ein Begrüßungsgeld - wie von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) angeregt - gibt es zwar nicht. Aber das Interieur signalisiert: Hamburg kümmert sich um seine Gäste - in einem glasdurchzogenen Raum, der Weltoffenheit ausstrahlt. Hier erfährt jeder, wie Hamburg funktioniert.

Es ist ruhig, weniger betriebsam als in den Bezirksämtern mit ihren Einwohnermelde- und Ausländerabteilungen - die herkömmlichen Adressen für Neu-Hamburger. Was daran liegt, dass das Haus zwar grundsätzlich allen offen steht, aber der Besucherstrom gefiltert wird. Denn wer ausgiebige, individuelle Beratung wünscht, muss sich telefonisch anmelden. Vor allem hoch qualifizierten, internationalen Neuankömmlingen wie dem finnischen Zellforscher Teemu Karevaara soll der rote Teppich ausgerollt werden.

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Noch-Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU) sagte jüngst: "Hamburg hat sich zum Ziel gesetzt, seine Attraktivität für qualifizierte Zuwanderer zu steigern und deren Integration zu erleichtern." Demnach positioniere sich die Stadt mit dem Welcome Center im internationalen Wettbewerb um kreative Köpfe aus aller Welt, was oftmals mit einfachen Sachen beginnt: "Aufenthaltserlaubnis, Anmeldungen sowie Wohnungs-, Schul- oder Krankenversicherungsfragen sind unser Kerngeschäft", sagt Günther Wielgoß, stellvertretender Leiter des Centers. Darüber hinaus seien aber auch die vier Millionen Hamburg-Touristen gern gesehene Gäste. Ebenso wie jeder Neuankömmling, der Rat sucht.

Die finnische Familie Karevaara hat sich ein Wochenende Zeit für die neue Heimat genommen. Auf dem Tresen liegen Informationsbroschüren über die Hansestadt. In einer Spielecke vergnügen sich die beiden Töchter Martti und Saima. Das Beratungsgespräch ist gerade abgeschlossen. "Und es war sehr hilfreich", sagt Teemu Karevaara. "Welche Schule ist die beste für meine Kinder?", "Wo finde ich eine schöne, bezahlbare Wohnung?" und "Wie überwinden wir am schnellsten die Sprachbarriere?" waren Fragen, die ihn umtrieben.

Antworten gab es viele. "Dabei erfüllen wir eine Lotsenfunktion", sagt Center-Mitarbeiter Christian Steimke. Er begreife sich als neutraler Wegweiser durch den Wust von Angeboten, wobei die Beratung keine Einbahnstraße sei. Spezielle Nachbereitungsformulare für die Neuankömmlinge zeigen, ob die Beratung die drängenden Fragen beantworten konnte. "Das hilft auch uns", sagt Steimke. Und: Verlief das Gespräch auf Englisch? Of course!

Dem Finnen Teemu Karevaara konnten Wege aufgezeigt werden, was den persönlichen ersten Eindruck von seiner neuen Heimat unterstützt. Und wie ist das eigene Bild? "Alles ist etwas größer als gedacht. Die Stadt ist wunderschön, aber auch sehr weitläufig. Und dann der Verkehr! Kann es sein, dass hier schneller und aggressiver gefahren wird? Jedenfalls überlege ich gerade, ob ich überhaupt Auto fahren sollte", sagt er lächelnd. Vor allem hoffe er, dass sich seine Kinder und Frau Karolina, die in Turku noch ihr Zahnmedizinstudium abschließen will, schnell einfinden. Das sei das Wichtigste.

Mit dem schnellen Zurechtkommen in neuer Umgebung hat Angelica Bogatyrova berufsbedingt keine Probleme. Das ukrainische Model reist dauernd, ihre Jobs nimmt sie auf der ganzen Welt wahr. Sie sitzt am großen Konferenztisch des Welcome Centers und füllt ein Formular aus. Auch sie ist in gewisser Weise neu in Hamburg, wenngleich es für die 19-Jährige nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach London ist. Nach dem Fototermin für eine deutsche Frauenzeitschrift und vor dem Abflug in die britische Hauptstadt erneuert sie ihre Aufenthaltsgenehmigung. "Meine Agentur hat ihren Sitz in Hamburg. Auch ich könnte mir vorstellen, hier zu bleiben", sagt sie. Zwischenzeitlich wohne sie bei einer Kollegin in der Rentzelstraße, erlebe Hamburg - gerade Rotherbaum - auf den ersten Blick als gemütlich, nett und mit "einzigartigem Charakter". Ihre Erwartungen an die Stadt sind dennoch beruflicher Natur: "Viele Aufträge hier wären toll."

Sie lobt das Welcome Center ausdrücklich. Während ihrer vielen Reisen habe sie so manche Willkommensbüros gesehen, kaum eines sei so gut wie das in Hamburg. "Es bekommt zehn von zehn Punkten. Die Leute sind professionell und hilfsbereit. Wer sich hier niederlassen möchte, bekommt erstklassige Unterstützung." Jetzt müsse sie aber los, die Arbeit warte.

Die Welt kommt gern nach Hamburg: Mittlerweile fühlen sich 179 Nationen heimisch, fast ein Drittel stammt aus der Europäischen Union. Im Hamburger Handwerk hat fast jeder dritte Lehrling einen Migrationshintergrund. Im Kindergartenalter besitzt fast die Hälfte aller Kinder interkulturelle Wurzeln. Auch 80 Prozent der Welcome-Center-Klienten sind Ausländer. Wie viele es bislang insgesamt waren, will die Wirtschaftbehörde voraussichtlich am 14. September dem Senat darlegen. Vorher werden keine absoluten Zahlen herausgegeben. Aber: Die Klientenzahl stieg im ersten Quartal 2010.

Die Dienstleistungshauptstadt, der wirtschaftliche Branchenmix und ökonomisch standhafte Säulen ziehen unentwegt neue Menschen an die Elbe. Und gerade sie halten die Stadt jung. Hochschulen mit fast sechsmal so vielen Bewerbern wie Studienplätzen und vergleichsweise gute Rahmenbedingungen für junge Familien sind nur zwei weitere Gründe. Nicht zu vergessen: der weltweit anhaltende Trend, vom Land in die Stadt zu ziehen.

Der letzte Kunde an diesem Tag ist demnach etwas untypisch. Detlev Gündel ist gerade von Hannover nach Hamburg gezogen. "Der Liebe wegen", sagt der Verkehrsplaner, der bei der Stadt eine Anstellung fand. Wobei Hamburg, die Stadt, aus der seine Freundin Martina kommt, keine Liebe auf den ersten Blick war: "Wie Berlin war mir Hamburg immer zu groß. Aber nach und nach hat mich meine Freundin an Orte geführt, die ich toll finde. In der Speicherstadt oder im Hafen fühle ich mich wohl." Die anfängliche Skepsis wich dem Gefallen am kulturellen Angebot und den Möglichkeiten, sich sportlich zu betätigen. "Deshalb bin ich auch hier: Um mich über das Angebot zu informieren. Außerdem habe ich eine ganz praktische Frage. Denn bislang ist mir die Altpapierentsorgung in meinem Stadtteil schleierhaft." Center-Agentin Gabi Kaiser recherchierte auch das. Vielleicht hilft es dem Hannoveraner, sich noch ein wenig heimischer zu fühlen.