Konzernchef Hans-Otto Schrader erwartet kräftigen Umsatzanstieg durch das iPad. Das Hamburger Unternehmen sucht 400 neue Mitarbeiter.

Hamburg. Traditionell ist der Otto-Vorstand bestens informiert, wenn es um Techniktrends geht. Dafür sorgt der alljährliche Besuch einer hochrangigen Delegation bei amerikanischen Technologiefirmen. In diesem Jahr musste sich aber selbst der Otto-Konzern, nach Amazon immerhin der größte Onlinehändler der Welt, überraschen lassen: Bis Geheimniskrämer und Apple-Chef Steve Jobs seinen neuen Coup Ende Januar offiziell in Kalifornien vorstellte, war das iPad eine reine Spekulation in der Branche.

Als es vom Gerücht zum leibhaftigen Gerät wurde, schlug die Überraschung beim Otto-Vorstand schnell in Begeisterung um. "Das iPad ist wirklich magisch", sagte Vorstandschef Hans-Otto Schrader gestern bei der Bilanzpressekonferenz. "Es wird eine Revolution im mobilen Shopping einleiten." In kürzester Zeit hat das Hamburger Unternehmen erste Anwendungen (Apps) für das iPad entwickelt und arbeitet mit Hochdruck an weiteren. "Das iPad ist die bislang fehlende Verbindung zwischen Katalog und Internet", schwärmte Schrader. Er sei überzeugt, dass es die Umsätze im E-Commerce weiter vorantreiben werde.

Boom beim Onlineshopping schafft neue Jobs in Hamburg

Auch Thomas Schnieders, Direktor Neue Medien bei der Otto Group, glaubt an einen "Riesenschub" durch das iPad, das Frauen und ältere Nutzer noch stärker als Zielgruppen erschließen soll. "Damit werden wir erhebliche Beträge neu erwirtschaften", sagte er dem Abendblatt. Das "Erwachsenenspielzeug", wie Schrader das iPad scherzhaft nannte, hat somit positive Effekte für Hamburg: Derzeit werden allein im Bereich Neue Medien 40 Fachkräfte gesucht, insgesamt sind 400 Stellen zu besetzen. Die Otto-Gruppe beschäftigt rund 9000 Mitarbeiter in der Hansestadt, 23 000 deutschlandweit.

Schon in der Ära vor dem iPad hatte sich das Geschäft mit dem Einkauf über Internet und Handy zum Wachstumstreiber entwickelt. Im abgeschlossenen Geschäftsjahr war der Umsatzanteil des Kataloggeschäfts erstmals unter 50 Prozent gesunken. Bei der Einzelgesellschaft Otto (ehemals Otto-Versand) beträgt der Onlineanteil schon mehr als 60 Prozent. Das half dem Konzern mit 123 Töchtern in 20 Ländern, seinen Gesamtumsatz selbst im Krisenjahr 2009 um 1,4 Prozent auf 10,132 Milliarden Euro zu steigern. Dazu trugen vor allem die guten Geschäfte auf dem deutschen Markt bei, die um knapp sieben Prozent wuchsen.

Quelle ist zukünftig ein Marktplatz im Internet

Dabei profitierte Otto auch von der Übernahme der Marke Quelle, die mit geschätzten 130 Millionen Euro zur Umsatzsteigerung mit deutschen Kunden beitrug. Zukünftig soll die Marke als reines Onlinekonzept weitergeführt werden. "Quelle.de ist jetzt ein Marktplatz für die Firmen der Otto-Gruppe", kündigte Schrader an.

Für das laufende Geschäftsjahr wagt er eine optimistische Prognose - sofern sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht massiv verschlechtern: "Wir trauen uns zu, ein prozentual zweistelliges Umsatzplus zu erwirtschaften, wir erwarten eine steigende Rendite." Auch im Ausland, wo sich vor allem in England, Frankreich und den USA die Krise durch Umsatzrückgänge bemerkbar gemacht hatte, ziehe das Geschäft wieder an.

Zwölf Otto-Töchter werden bereits von Frauen geleitet

Im ersten Quartal lag der Otto-Konzern in allen drei Geschäftsfeldern Einzelhandel, Finanz- sowie Servicedienstleistungen zweistellig im Plus. Das lässt Raum für Investitionen. "Wir investieren massiv in den Bereich E-Commerce", sagte Schrader. Dazu sollen zunehmend Frauen in der Führungsetage beitragen. Mit Stephanie Caspar ist bei Mirapodo.de gerade die zwölfte Frau Geschäftsführerin einer Otto-Tochter geworden.

Die Otto-Welt im Netz, zu der bereits rund 50 Webshops gehören, wird ebenfalls heterogener: Neue Einkaufsportale wie der Schuhhändler Mirapodo, der Shoppingklub Limango und die Produktsuchmaschine Smatch.com sollen die Konkurrenz auf Abstand halten. Für Thomas Schnieders bleibt als Direktor Neue Medien also viel zu tun. "Die digitale Welt wird immer bunter", sagte er. Und bequemer: Sein Team arbeitet gerade an einer App mit Suchfunktion per Spracheingabe. Eine App, die dem Nutzer die komplette Garderobe zusammenstellt, gibt es schon.