Die Zeit für Hamburger Lehman-Anleger wird nach dem OLG-Urteil knapp. Die Ansprüche auf Schadenersatz verjähren nach drei Jahren.

Hamburg. Ein Blick in die Urteilsdatenbank macht den Anlegern Mut. Entgegen dem jüngsten Urteil des Hamburger Oberlandesgerichts haben bundesweit bisher die meisten Richter Lehman-Geschädigten recht gegeben, wie aus der Übersicht auf der Seite www.ig-lehman-zertifikateschaden.de hervorgeht. Die Banken müssen ihnen Schadenersatz für die wertlos gewordenen Zertifikate der US-Investmentbank Lehman Brothers zahlen.

Erst gestern wurde die Commerzbank zu einem Schadenersatz in Höhe von knapp 99.000 Euro vom Landgericht Frankfurt verurteilt, weil der Berater der Kundin nicht offenbarte, was die Bank beim Verkauf der Zertifikate verdiente (Az.: 2-21 O 224/09). Diese Offenlegung von Provisionen hat der Bundesgerichtshof (BGH) in mehreren sogenannten Kickback-Urteilen gefordert. Es geht dabei um Provisionen, die die Banken beim Verkauf institutsfremder Produkte wie Investmentfonds erhalten. Der Kunde müsse davon Kenntnis haben, um einen möglichen Interessenkonflikt der Bank zwischen anlegergerechter Beratung und eigenem Gewinnstreben zu erkennen. Dieser Kickback-Grundsatz könne nicht auf Zertifikate übertragen werden, urteilte dagegen das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg und hob zwei Urteile des Landgerichts Hamburg auf, die Lehman-Anlegern Schadenersatz zugesprochen hatten. Ein schwerer Rückschlag für rund 10.000 betroffene Anleger in Hamburg.

Was bedeutet das Hamburger OLG-Urteil für die Durchsetzung der Schadenersatzansprüche?

Durch das negative Urteil wird die Bereitschaft vieler geschädigter Lehman-Anleger geschwächt, gegen ihre Bank zu klagen. Kläger, die jetzt weiter vor dem BGH in die Revision gehen, hoffen, dass die bisher von Landgerichten aufgestellten Grundsätze durch die höchsten Richter bestätigt werden. Konkret hieße dies: Klärt die Bank nicht über ihre Verdienstspanne und die fehlende Einlagensicherung von Zertifikaten auf, begeht sie eine Pflichtverletzung und macht sich schadenersatzpflichtig. Auf einen Schadenersatz können die Anleger erst nach dem BGH-Urteil hoffen.

Wird das Landgericht Hamburg seine Rechtsprechung jetzt ändern?

Die Richter sind nicht an das Urteil des OLG gebunden. Wie aus Richterkreisen zu hören ist, wartet man auf die schriftliche Urteilsbegründung. Nur wenn sie überzeugend darlegt, warum die Kickback-Rechtsprechung nicht auf Zertifikate übertragbar ist, wollen sie von ihren Urteilen künftig abweichen.

War der Vorsitzende Richter des OLG Hamburg befangen?

Der Vorsitzende Richter Ralph Panten hat zu Beginn der 1980er-Jahre eine Ausbildung als Bankkaufmann und ein Jahrzehnt später eine Station während seiner Referendarsausbildung bei der Hamburger Sparkasse absolviert. Die Urteile, die jetzt von ihm aufgehoben wurden, richteten sich gegen die Haspa. Kläger-Anwalt Ulrich Husack wollte deshalb den Richter wegen Befangenheit ablehnen. Das Gericht wies den Antrag zurück, weil der Kontakt zur Haspa Jahrzehnte zurückliegt.

Können die Ansprüche der Anleger verjähren?

Den Anlegern läuft die Zeit davon. Bereits drei Jahre nach Erwerb verjähren Ansprüche der Kunden, sofern nicht Klage eingereicht wird. Eine Möglichkeit, diese Frist zu verlängern, ohne einen teuren Prozess zu riskieren, ist der Gang zur öffentlichen Rechtsauskunft in Hamburg (ÖRA). Selbst der Rechtsanwalt Matthias Schröder nutzt diese Möglichkeit. "Dadurch wird die Verjährung gehemmt und man gewinnt zwölf bis 18 Monate Zeit", sagt Schröder. "Selbst wenn das Verfahren nicht zugunsten der Kunden ausgeht, hat man Zeit gewonnen und danach noch alle Möglichkeiten bis zu einer Klage", sagt Husack. Die Haspa hat für ihre Kunden bereits freiwillig die Verjährungsfrist auf fünf Jahre verlängert.

Wann wird der BGH entscheiden?

Anwalt Husack rechnet damit, dass der BGH wegen der Dringlichkeit innerhalb eines Jahres entscheiden wird. Bereits jetzt ist ein Lehman-Verfahren beim BGH anhängig, das in den nächsten Monaten verhandelt wird. Beklagte ist die Frankfurter Sparkasse. "Dabei geht es zwar nicht um die Kickback-Problematik, aber die Richter könnten sich durchaus auch zu diesem Punkt äußern", sagt Schröder.

Wie stehen die Chancen, dass der BGH zugunsten der Anleger entscheidet?

"Ich glaube nicht, dass das OLG-Urteil bei den nicht offengelegten Provisionen Bestand haben wird", sagt Schröder. Es wäre nicht das erste Mal, dass der BGH ein OLG-Urteil im Interesse der Anleger korrigiert. Etwas skeptischer ist Schröder für die fehlende Einlagensicherung. Auch in diesem Punkt ist der Hamburger Anwalt Stephan Michaelis zuversichtlich. "Die Pflichten für beratende Berufe wie Versicherungsmakler oder Anwälte sind nach der Rechtsprechung des BGH sehr weitgehend. Bankberater dürfen nicht anders beurteilt werden. Sie sind nicht nur Produktverkäufer und dürfen nicht wie ein Autohändler beurteilt werden." So könnte es nötig sein, über eine fehlende Einlagensicherung aufzuklären.