Die Pläne, nur noch leitende Redakteure beschäftigen zu wollen, alarmieren die Branche. Betriebsrat befürchtet mehr als 70 Kündigungen.

Hamburg. Am Tag nach der Ankündigung des Jahreszeiten-Verlags (Jalag), sich von 70 Redakteuren trennen zu wollen, herrscht im Zeitschriftenhaus am Winterhuder Poßmoorweg große Niedergeschlagenheit. "Hier sind alle sehr schockiert", sagt eine Mitarbeiterin. "Von kämpferischer Stimmung keine Spur."

Das Vorhaben des Jalag, in seinen Redaktionen künftig nur noch leitende Redakteure beschäftigen und ansonsten mit freien Journalisten zusammenarbeiten zu wollen, hat dagegen Betriebsräte anderer Verlage aufgebracht. "Wir fühlen uns eng mit euch verbunden und hoffen, dass ihr Kraft entwickelt, euch gegen diese für die Hamburger Verlagsszene einschneidende Maßnahme zu wehren", heißt es in einer Solidaritätsadresse des Konzernbetriebsrats der Bauer Media Group. "Diese unternehmerische Unvernunft braucht den Widerstand aller - der Gewerkschaften, der Betriebsräte, der Belegschaften, der Bevölkerung." Die Arbeitnehmervertreter aus dem Hause Bauer haben die übrigen Hamburger Verlagsbetriebsräte gebeten, sich ihrer Solidaritätsadresse anzuschließen.

Auch bei manchen Chefredakteuren herrscht Unverständnis über die Maßnahme des Jalag, die beispiellos ist. "Ich finde das sehr bedenklich", sagt etwa "Stern"-Chef Thomas Osterkorn. "Mit einem solchen Schritt kann man vielleicht den einen oder anderen Titel retten, aber ich hoffe nicht, dass dies ein Zukunftsmodell wird."

Der Chefredakteur eines großen Titels, der anonym bleiben will, kann den Schritt von Jalag-Verleger Thomas Ganske kaum nachvollziehen: "Ihm muss es schon sehr dreckig gehen. Denn Ganske ist weder eine Heuschrecke noch ein Haudrauf." Und der Chefredakteur des "SZ-Magazins", Dominik Wichmann, hofft, dass die Causa Jalag "in dieser Radikalität ein singulärer Fall bleibt". Er befürchtet aber, "dass dies nicht die letzte schlechte Nachricht für die Zeitschriftenbranche ist".

Wichmann wird heute auf dem Symposium der Lead Awards an der Podiumsdiskussion der Chefredakteure teilnehmen. Die Pläne des Jalag dürften Tagesgespräch auf dem Branchentreff werden.

Es gibt aber auch Stimmen wie die des ehemaligen "Spiegel"-Chefredakteurs Stefan Aust, der das Vorhaben des Jalag "auf die Anzeigenkrise, aber auch auf die starre deutsche Arbeitsgesetzgebung" zurückführt. "Das Arbeitsrecht muss flexibler werden", fordert er. Ob man auf Dauer ein Blatt nur mit freien Mitarbeitern machen kann, hänge vom Einzelfall ab. "Bei politischen Titeln kann ich mir das nur schwer vorstellen."

Für die Jalag-Redakteure ist das wenig tröstlich. Ihr Haus verlegt keine politischen Magazine, sondern nur Frauentitel wie "Petra" und "Für Sie" sowie Lifestylezeitschriften wie "Architektur & Wohnen" und "Feinschmecker". Offenbar versuchen nun einige Mitarbeiter einer möglichen Kündigung zu entgehen, indem sie sich um eine Stelle als stellvertretender Ressortleiter bewerben. Wie es in Redaktionskreisen heißt, ist diese leitende Position nicht in allen Ressorts besetzt.

Unklar ist, wie viele Mitarbeiter wirklich von Kündigung bedroht sind. In einer Presseerklärung des Verlags hieß es am Montag, man wolle "voraussichtlich 70 Vollzeit-Arbeitsplätze" abbauen. Bedeutet das im Umkehrschluss, dass die zehn bis 20 Redakteure, die in Teilzeit arbeiten, bleiben? Der Betriebsrat bezweifelt das. Er geht von einem Abbau von 80 bis 90 Stellen aus. Jalag-Geschäftsführer Peter Rensmann dementiert dies auf Abendblatt-Anfrage jedoch.

Offen ist auch, ob und wie die Redakteure künftig als Freie für den Jalag arbeiten können. "Über das Engagement der freien Journalisten entscheiden die einzelnen Chefredaktionen", sagt Rensmann, "bei Beachtung der bestehenden Gesetze. Dort, wo jemand für verschiedene Verlage dauerhaft tätig sein möchte, haben wir nichts dagegen." Die von Kündigung Bedrohten können also offenbar nicht ohne Weiteres auf Pauschalistenverträge hoffen. Denn sollte der Jalag ihr einziger Auftraggeber sein, würde dies den Tatbestand der Scheinselbstständigkeit erfüllen. Eine Redakteurin sagt, in Einzelgesprächen sei darauf hingewiesen worden, Freie könnten nur "projektweise" beschäftigt werden.

Am Montag um 9.30 Uhr werden Betriebsrat und Geschäftsführung zusammenkommen, um einen Sozialplan zu verhandeln. Zumindest die Arbeitgeber rechnen mit langwierigen Gesprächen. Sie wollen sich Zeit lassen. Vor dem 30. Juni werde wohl keinem gekündigt, heißt es. Doch in den Redaktionen kursiert das Gerücht, dass die ersten Kündigungen schon im Mai verschickt werden.