Den Fall des toten Babys Lara werden die Gerichte übernehmen. Und er wird für weiteren politischen Zündstoff sorgen. Carola Veit (SPD), Vorsitzende des Bürgerschaftsausschusses für Familie, Kinder und Jugend, sagte dem Abendblatt: “Es ist gut, dass jetzt wieder Bewegung in den Fall Lara kommt.

Nun kann Sozialsenator Wersich sich nicht mehr mit Verweis auf die Arbeit der Staatsanwaltschaft dafür entschuldigen, dass er die Missstände im Bereich der Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD) in Hamburg seither nicht verbessert hat."

Veit weiter: "Mittlerweile kann man wohl so weit gehen, zu sagen, dass eine bessere Betreuungssituation Laras Tod womöglich hätte verhindern können."

Schon wenige Tage nach dem Tod des Babys Lara wurde eines klar: Weder das Sozialamt des Bezirks Mitte noch das Rauhe Haus waren über die Betreuung genau informiert. Widersprüche traten auf. So erklärte das Rauhe Haus, das als freier Träger die Betreuung im Auftrag des Bezirksamts übernahm, die zuständige Betreuerin Marianna K. hätte sehr genau auf die Einhaltung aller ärztlichen Untersuchungen geachtet. Wenige Tage später räumte Mutter Jessica R. ein, nicht mit ihrem Baby beim Arzt gewesen zu sein. Wahrscheinlich monatelang nicht. Weiter gaben die 18 Jahre alte Mutter und ihr 21 Jahre alter Lebenspartner zu, das Untergewicht des Kindes bemerkt zu haben. Das Baby sei mit Fruchtzwergen und Lasagne ernährt worden.

Die Mutter lebte in sozial schwierigen Verhältnissen. Sie litt unter der Scheidung der Eltern, unter Familienmitgliedern, die sich gegen sie positionieren, und unter mehrfachen Umzügen.

In der Debatte um die Arbeit der Sozialen Dienste meldeten sich nach dem Tod des Babys auch deren Mitarbeiter zu Wort: Einzelne seien für bis zu 120 Schicksale zuständig und würden immer in Angst vor der sogenannten "Garantenpflicht" leben: Wenn einem Kind etwas passiert, müssen die Betreuer dafür geradestehen. "Wir stehen da mit einem Bein immer im Gefängnis", beklagte eine Betreuerin.

Die Sozialarbeiter protestierten auch gegen die Arbeitsbedingungen. Ihr Protest richtete sich gegen Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU). Sechs Wochen nach dem tragischen Ereignis gingen zwei Drittel der Belegschaft des ASD aus Wilhelmsburg ins Rathaus und überbrachten einen Protestbrief. Wersich hatte in einem Gutachten "fachliche Fehler" der Mitarbeiter für den Tod des Babys verantwortlich gemacht. In dem Protestbrief hieß es weiter: "Wir haben die Nase voll, als Sündenböcke herzuhalten für eine Politik, die es jahrelang versäumt hat, den ASD qualitativ und quantitativ ausreichend auszustatten!" Besonders die Vorwürfe einer "nicht ausreichenden Dokumentation, telefonische Abklärung statt einer Inaugenscheinnahme des Kindes und eine angeblich nicht erfolgte kollegiale Beratung erfüllen uns mit Unverständnis und Wut".