Der Hamburger Tiefkühlkost- und Fischstäbchenhersteller erlebte nach dem Verkauf an einen Finanzinvestor unruhige Zeiten.

Heuschrecken sind eine Plage. Wenn sie in eine Region einfallen, bleibt nichts mehr übrig. Sie fressen alles ab und ziehen danach weiter. Heuschreckeninvasionen gibt es heute zwar kaum noch. Doch die nimmersatten Insekten sind inzwischen zu einem Synonym für eine Branche geworden, die ähnlich rücksichtslos vorgeht wie die Insekten. Nach dem Motto "Kaufen, Plündern, Wegwerfen" rauben Finanzinvestoren oft Firmen aus. Deshalb hat der ehemalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering diese Unternehmen auch als Heuschrecken bezeichnet, deren Aktivitäten für die Wirtschaft bedrohlich seien. Das war 2005. Genutzt hat Münteferings Initiative nichts. Nach wie vor durchkämmen die Investoren mit einer prall gefüllten "Kriegskasse", Deutschland. Sie übernehmen Firmen, bürden diesen hohe Kredite auf und machen sie danach hübsch, um sie an den nächsten Raubritter zu verscherbeln. Zwar soll hier jetzt nicht eine ganze Branche an den Pranger gestellt werden, aber die vielen schwarzen Schafe.

In Hamburg spürte dies jetzt auch der Tiefkühlkost- und Fischstäbchenspezialist Iglo. Schon 2006 hat der Investor Permira das damals schuldenfreie Unternehmen für 1,7 Milliarden Euro von Unilever übernommen. Auf den ersten Blick hat die Heuschrecke zwar viel Gutes bewirkt. So wurde Iglo 2010 durch den Zukauf des italienischen Tiefkühlkostherstellers Findus für 805 Millionen Euro gestärkt. Auch die Profitabilität konnte der Finanzinvestor kontinuierlich verbessern. Dennoch ist Käpt'n Iglo unter die Räuber gefallen. Denn gleichzeitig türmte sich bei der Firma ein hoher Schuldenberg auf, der inzwischen bei 1,4 Milliarden Euro liegt. Die Vermutung liegt nahe, dass Permira Geld aus dem Unternehmen gezogen hat, und damit Iglo selbst einen Teil des eigenen Kaufpreises finanzieren musste. Dieses Vorgehen ist bei Finanzinvestoren gang und gäbe. Zudem, so heißt es hinter vorgehaltener Hand, habe der Investor mit Sitz in London ständig in das deutsche Geschäft, den größten Markt von Iglo, reingeredet. Abstruse Vorschläge kamen. So sollte Iglo plötzlich nicht mehr Alaska-Seelachs für seine Fischstäbchen verwenden, sondern eine billigere Sorte ordern. Das Management hatte Mühe, Permira diese Idee auszureden. Danach kam der Vorschlag, die Packungen kleiner zu machen. Wieder kostete es viel Energie und Engagement, sich den aus Verbrauchersicht abstrusen Ideen aus London zu widersetzen.

Permira hat Iglo inzwischen zu einer hübschen Braut gemacht. Der Umsatz stieg auf zuletzt 1,57 Milliarden Euro. Ein nachhaltig handelnder Investor wäre mit der Entwicklung seiner Anlage zufrieden gewesen. Doch Heuschrecken handeln nicht nach den klassischen Mustern, nach welchen Unternehmen wirtschaften, um bleibende Werte und Arbeitsplätze zu schaffen. Finanzinvestoren setzen dagegen auf schnelle und hohe Gewinne. Sie stehen unter dem Druck ihrer Investoren, die mindestens zehn Prozent Gewinn im Jahr einstreichen wollen. Spätestens nach fünf bis sechs Jahren müssen die Heuschrecken ihre Beteiligungen deshalb mit einem satten Aufschlag verkaufen. Ansonsten können sie ihren Investoren die anvisierten Renditen von zehn Prozent im Jahr nicht überweisen. Mit der realen Wirtschaft hat dieses Kasino-Gebaren nichts mehr zu tun.

Bei Iglo hat Permira aber auf ganzer Linie Pech gehabt. Ein geplanter Verkauf floppte kürzlich, weil kein Interessent den von den Briten geforderten Preis von 2,8 Milliarden Euro aufbringen wollte. Doch Permira wollte sich nicht damit zufriedengeben. Wenn sich kein Käufer findet, sollte Iglo selbst bluten. 500 Millionen Euro als Sonderdividende sollte das Hamburger Unternehmen an seinen Eigentümer überweisen. Doch dieser Trick, um an mehr Geld zu kommen, scheiterte an den Banken. Sie wollten dem Fischstäbchenhersteller diese Summe nicht zusätzlich zum ohnehin schon hohen Darlehen geben. Permira hätte das Hamburger Geld an seine Investoren ausgeschüttet - zum Schaden von Käpt'n Iglo. "Geld, das abfließt, steht nicht mehr zur Verfügung. Damit werden die Unternehmen konjunkturanfälliger", sagt Professor Hans-Peter Burghoff vom Lehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen der Universität Hohenheim.

Beim Modeanbieter Hugo Boss, wie auch ProSiebenSat.1 im Besitz der Briten, gelang die Ausschüttung einer Sonderdividende in Höhe von 350 Millionen Euro im Jahr 2008. Denn vor Ausbruch der Krise hatten die sogenannten Private-Equity-Investoren die Banken noch als Partner. Beide verdienten Milliarden entweder durch die Übernahmen von Firmen oder durch die Finanzierung der Transaktionen. Bezahlen mussten am Ende Iglo und all die anderen Unternehmen, die in die Hände von Heuschrecken fielen. Doch nach der Party kommt jetzt der Kater. Denn seit der Krise gehen die Banken mit ihrem Geld vorsichtiger um.

Hugo Boss und Käpt'n Iglo sind trotz aller Probleme mit Private-Equity-Firmen noch gut weggekommen. Anders als die Kaufhauskette Hertie (insolvent), der Modelleinsenbahnhersteller Märklin (das Insolvenzverfahren dauert bereits zwei Jahre) oder der Nähmaschinenhersteller Pfaff (2008 pleite, 2009 gerettet) sind die beiden Permira-Beteiligungen noch am Markt. Doch für viele andere Unternehmen war die Übernahme durch einen Finanzinvestor der Anfang eines langen Leidensweges. Leidtragende sind meist die Arbeitnehmer. So auch bei Auto-Teile-Unger (ATU). Das Unternehmen war kerngesund und hätte eigentlich kein Geld von Heuschrecken gebraucht. Doch Firmengründer Peter Unger machte sich mit zunehmendem Alter Sorgen um die Zukunft seines Imperiums. Aus der Panik heraus, keinen Nachfolger zu finden, verkaufte Unger ATU im Jahr 2002 überraschend an die Beteiligungsgesellschaft Doughty Hanson, die ATU zwei Jahre später an die Börse bringen wollte. Doch damit hätte der Investor nicht den höchstmöglichen Gewinn erzielt. Also suchte Doughty Hansen einen Käufer. Für 1,45 Milliarden Euro stieg 2004 der US-Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts (KKR), die Mutter aller Heuschrecken, bei ATU ein. In drei Sparwellen wurden unter den beiden Finanzinvestoren rund 1500 Jobs abgebaut.

Der Sanitäranlagenspezialist Grohe erlebte ein ähnliches Fiasko. Im Dezember 2008 verkaufte die Familie Grohe für rund 900 Millionen Euro an die Investorengruppe BC Partners. Es wird geschätzt, dass BC damals nur rund 100 Millionen Euro an Eigenmitteln aufbringen musste. Den Rest finanzierten die Banken - zulasten von Grohe. Allein im Jahr 2003 musste das Unternehmen deshalb 71 Millionen Euro und damit fast drei Viertel seines Betriebsergebnisses für die Zinslast aufwenden. Grohe war zum Zeitpunkt des Verkaufs Weltmarktführer und ein kerngesundes Unternehmen mit einer Umsatzrendite von zehn und einer Eigenkapitalquote von 50 Prozent. Das änderte sich schnell. Die hohe Zinslast ließ kaum Spielraum für weiteres Wachstum. Als BC 2004 Grohe für 1,5 Milliarden Euro an CSFB Private Equity verkaufte, machte der Investor 600 Millionen Euro Gewinn. Doch Grohe glich nicht mehr der gesunden Firma von 1998. Um dem Unternehmen nach Jahren der Stagnation wieder zu Umsatz- und Ertragswachstum zu verhelfen, beschloss der neue Eigner drastische Maßnahmen. 2005 wurden Einsparungen von 150 Millionen Euro beschlossen. An den deutschen Produktionsstandorten in Lahr, Hemer und Porta Westfalica wurden 500 Jobs abgebaut. Zusätzlich wurde eine Fabrik im brandenburgischen Herzberg mit 300 Mitarbeitern geschlossen und im Gegenzug die thailändischen und portugiesischen Werke erweitert. Auch heute befindet sich Grohe noch in den Händen von Finanzinvestoren.

Besonders begehrt unter der Branche, die schnelles Geld verdienen will, ist offenbar Hamburg. So verkaufte der Stahlkonzern ThyssenKrupp im vergangenen Dezember die Traditionswerft Blohm + Voss an die britische Beteiligungsgesellschaft Star Capital Partners. Den Eigentümer wechselten damit alle nicht militärischen Schiffbau- und Reparaturbereiche der Werft sowie deren Tochterfirmen. Star Capital Partners will sämtliche Aktivitäten an allen Standorten weiterführen und Geld in das Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen stecken, hieß des damals. Die 1500 Mitarbeiter von Blohm + Voss sind dennoch in Sorge.

Der Finanzinvestor H.I.G. Europe erwarb 2011 den Hamburger Chemikalienhersteller Haltermann Products. H.I.G will das Unternehmen ausbauen und nicht ausrauben. Glück hatte auch der Hamburger Leukoplasthersteller BSN Medical gehabt. Dessen britischer Finanzinvestor Montagu Private Equity hat das Unternehmen 2005 für 1,03 Milliarden Euro gekauft. Im Mai dieses Jahres wurde BSN für 1,8 Milliarden Euro an den Investor EQT verkauft. Unter Montagu konnte der Hamburger Leukoplasthersteller in den vergangenen gut sechs Jahren neue Geschäftsfelder erschließen und auf einigen Gebieten wie der Kompressionstherapie sogar Weltmarktführer werden. BSN-Chef Claus-H. Wiegel hat gute Erfahrungen mit Finanzinvestoren gemacht. Montagu hat kein Geld aus dem Unternehmen gezogen und seine Beteiligung immer an der langen Leine geführt. "Wir haben keine Manager von unserem Eigentümer im Unternehmen, und alle Gewinne, die wir erwirtschaftet haben, bleiben bei BSN Medical", sagte er einmal dem Abendblatt.

Nicht nur Unternehmen können durch den großen Hunger der Heuschrecken ausgeraubt werden, sondern auch Mieter. Nachdem die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte 2004 ihre Immobilienbeteiligung Gagfah für 2,1 Milliarden Euro an die amerikanische Heuschrecke Fortress verkauft hat, gibt es viele Klagen. Gagfah gehört mit 110 000 Objekten zu den größten Wohnraumanbietern in Deutschland. Zwar unterschrieben die Amerikaner umfangreiche Zugeständnisse beim Mieter- und Kündigungsschutz. Doch heute weiß man, dass diese nicht einmal das Papier wert waren, auf dem sie gedruckt worden sind. Zu hohe Mieten, Schimmel in den Wohnungen und niemand, der sich kümmert. Diese Folgen des Verkaufs eines Wohnungsunternehmens lassen sich nicht nur in Hamburg besichtigen.

Finanzinvestoren wird es auch in Zukunft geben. Wenn sie wie Montagu ihren Profithunger erst beim Verkauf eines Unternehmens stillen, sind sie oft sogar willkommene Helfer. Vor Heuschrecken, die nur ans Kaufen, Plündern und Wegwerfen denken, hatte Müntefering allerdings nicht ohne Grund gewarnt.