Eine Kleingeldlösung von Nico Binde

Im Stadtpark, auf dem Weg zur Freilichtbühne, gibt es diesen kleinen, von Platanen flankierten Rasenstreifen. Die Wiese dort ist weder besonders schön, noch besonders breit, es gibt hundert bessere Wiesen in Hamburg. Aber keine Rasenfläche ist bei Musikfreunden wegen ihrer Akustik beliebter. Denn immer, wenn auf der Freilichtbühne ein Künstler seine Lieder singt (und es mal nicht aus Kübeln schüttet), ist diese nicht besonders schöne, nicht besonders breite Wiese knüppelvoll. Menschen grillen, rauchen, trinken und küssen dort. Und sie hören sich ein Konzert an.

Ich habe mich immer gefragt, wie das ist: Auf dieser Musikhörerwiese zu sitzen, ohne das dazugehörige Konzert zu sehen. Genauso gut kann man ja in ein Kino ohne Leinwand gehen oder Fußball im Radio hören. Doch nach dem Sonntagskonzert des amerikanischen Empfindsamkeitsrockers Bon Iver ist klar: Die Sache hat ihren Reiz.

Während von der Bühne zauberhafte Musik ohne nennenswerte Klangverluste über die Wiese tropft, steht auf der Decke das Bier, klart der Himmel auf, knotet jemand eine Hängematte zwischen zwei Bäume, packt ein Pärchen die Rotweingläser aus. Und als im umwerfenden Stück "Perth" bei Minute 3:03 diese zum Weinen schönen Bläser einsetzen, hat sogar der Labradorwelpe auf der Nachbardecke feuchte Augen.

Klar würde man gern das Konzert, das offenkundig jeden Cent der 35 Euro teuren Eintrittskarte wert ist, auch sehen. Aber die Kleingeldlösung, die Musikhörerwiese, ist eine hübsche Alternative. Denn außer dem Blick auf die Bühne fehlt nicht richtig viel für einen perfekten Abend. Es ist wie Fußball im Radio - von Zeit zu Zeit auch ganz schön.