Nach der Sietas-Insolvenz muss der Hamburger Schiffbau endlich zusammenrücken

Rüdiger Fuchs hat alles versucht. Seit Anfang 2009 baute der frühere Airbus-Manager die Produktionsabläufe bei Deutschlands ältester Werft Sietas grundlegend um. Er tauschte große Teile der Belegschaft aus und suchte Zugang zu neuen Märkten, vor allem im werthaltigen Bau von Spezialschiffen. Doch am Ende konnte Sietas der Insolvenz nicht entgehen. Die Perspektiven der Traditionswerft sind ungewiss.

Vor allem aus drei Gründen ist Fuchs der Befreiungsschlag vor dem Gang zum Insolvenzrichter nicht gelungen: Die Altschulden des Unternehmens, angehäuft unter der Regie der Eignerfamilie Sietas, sind erdrückend. Hinzu kommt, dass die Finanzwirtschaft aus ihrer großen Krise seit 2008 nie herausgefunden hat. Investments in Schifffahrt und Schiffbau gelten bei der Geldwirtschaft derzeit als besonders unattraktiv.

Drittens versucht nicht nur Sietas in den neuen Markt mit der Ausrüstung von Offshore-Windparks auf See vorzudringen. Auch eine Reihe anderer Unternehmen wie die Nordseewerke in Emden oder Nordic Yards in Mecklenburg-Vorpommern suchen in diesem Wachstumsgeschäft ihr Heil. Obendrein müssen sie dort auch mit Schiffbauunternehmen etwa aus Polen, aber auch mit asiatischen Werftenriesen wie Daewoo konkurrieren.

Der Fall Sietas zeigt auf dramatische Weise, dass die deutschen Werften lieber einzeln untergehen, als gemeinsam einen Weg in die Zukunft zu suchen. Nirgendwo wird das so deutlich wie in Hamburg. Seit mehr als zwei Jahren sucht der Stahl- und Industriekonzern ThyssenKrupp einen Investor für die Übernahme der einstigen deutschen Vorzeigewerft Blohm + Voss. Nachdem die Verhandlungen mit Abu Dhabi Mar aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gescheitert sind, ziehen sich nun die Gespräche mit dem britischen Finanzinvestor Star Capital Partners in die Länge, der keinerlei Erfahrung im Schiffbau besitzt. Blohm + Voss überlebt derzeit nur durch uralte Aufträge für neue Marineschiffe. Eine Perspektive im zivilen Schiffbau fehlt der Großwerft seit langer Zeit. Und bei Sietas in Neuenfelde öffnet sich derweil der Vorhang für den vielleicht letzten Akt in vier Jahrhunderten Unternehmensgeschichte.

Die Idee, aus den beiden letzten Hamburger Neubauwerften womöglich eine stärkere Einheit mit klarer Ausrichtung zu formen, ist bislang offenbar niemandem im Umfeld der Unternehmen in den Sinn gekommen. Doch mit welcher Perspektive soll das Kleinunternehmen Sietas künftig am Markt bestehen? Warum soll ausgerechnet der Offshore-Markt für die wackeren Schiffbauer aus Neuenfelde eine Zukunft bieten - ein extrem kapitalintensives Geschäft, in das obendrein etliche derzeit unterbeschäftigte Werften zugleich hineindrängen? Und was geschieht mit Blohm + Voss, sollten auch die Verhandlungen mit Star Capital Partners scheitern, einem Finanzunternehmen, das in Deutschland bislang vor allem durch den Betrieb von Altenheimen aufgefallen ist?

Zu Recht betonen die städtische Wirtschaft und die Politik, dass Hamburg noch immer eine Stadt mit weltweit führender maritimer Kompetenz sei. Reedereien, Schiffsentwickler, Finanzierer, Schiffbau: Genau dieses riesige Wissen bietet das Argument dafür, die Zukunft der beiden verbliebenen Hamburger Bauwerften vor allem über den Standort zu definieren - und alle noch vorhandenen Kompetenzen endlich zu bündeln.

Ein Alleingang von Sietas erscheint kaum realistisch. Der Antrag auf ein Insolvenzverfahren ist nicht der Anfang, sondern das vorläufige Ende eines quälenden Prozesses zur Sanierung der Werft. Bei Blohm + Voss mag man sich einstweilen über den Bau neuer Fregatten für die Bundesmarine freuen. Die Größe der heutigen Belegschaft auf der Werft werden allein Staatsaufträge nicht sichern.