Schwere Daten-Panne bei Umstellung auf elektronisches System. Finanzämter überlastet. Die Panne kann für die Arbeitnehmer teuer werden.

Hamburg. Die Einführung der neuen elektronischen Lohnsteuerkarte sorgt für Verwirrung bei Zehntausenden Bürgern und für teilweise chaotische Verhältnisse in den Finanzämtern. Grund ist ein Softwareproblem: Es führte dazu, dass etwa ein bis zwei Prozent der bundesweit 30 Millionen Steuerpflichtigen in falsche Lohnsteuerklassen eingruppiert wurden oder zum Beispiel Freibeträge für Kinder oder Körperbehinderte vergessen wurden. Allein in Hamburg sind nach Angaben der Finanzbehörde etwa 8000 bis 16.000 Bürger betroffen. In Schleswig-Holstein sind es etwa 24 000, in Niedersachsen gehen die Behörden sogar von 2,8 Prozent oder 100.000 betroffenen Steuerpflichtigen aus.

Bleiben die Fehler unentdeckt, kann das für die Arbeitnehmer teuer werden. Nach Berechnungen von Wolfgang Bröker, Vorsitzender des Steuerberaterverbands im Kreis Stormarn, könnte die Eingruppierung in eine falsche Lohnsteuerklasse bei einem allein verdienenden Ehepartner mit 60.000 Euro Brutto-Jahresverdienst dazu führen, dass er 5622 Euro zu viel Steuern zahlt. Das Geld müsste er sich später über die Steuererklärung zurückholen. Wer in dem Informationsschreiben über die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) einen Fehler feststellt, sollte daher umgehend beim Finanzamt eine Änderung beantragen.

Tausende Bürger haben das bereits getan. Doch die Finanzämter sind dem Ansturm kaum gewachsen. Wartezeiten von mehreren Stunden sind keine Seltenheit, viele Mitarbeiter sind genervt, weil sie ihre eigentliche Arbeit nicht schaffen. Manche wurden auch krank.

+++ Finanzamt macht falsche Angaben +++

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+++ Datenpanne: Internet-Anbieter Alice verschickt Kontodaten +++

In Hamburg hat die Steuerverwaltung reagiert, indem sie vier Mitarbeiter an den Telefonischen HamburgService (040/42 82 80) abgeordnet hat. Auch die Finanzämter seien vorbereitet, beim Ausfüllen der Änderungsanträge zu helfen. "Wir bemühen uns, die Fälle unbürokratisch zu lösen, damit die Betroffenen möglichst wenig Aufwand haben", sagte Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD). Nach Abendblatt-Informationen können in vielen Fällen die Finanzämter aber gar nicht weiterhelfen, weil zunächst Daten des Einwohnerzentralamts geändert werden müssten. Offenbar haben sich die Fehler bei der Übermittlung der Daten von den Meldeämtern an das Bundeszentralamt für Steuern eingeschlichen. So sollen seit zehn Jahren Geschiedene teilweise plötzlich wieder als verheiratet ausgewiesen werden.

Die elektronische Lohnsteuerkarte soll 2012 endgültig die gewohnte Lohnsteuerkarte aus Papier ablösen. Künftig soll "die Kommunikation zwischen Bürger, Unternehmen und Finanzamt individuell, papierlos und sicher auf elektronischem Wege erfolgen" und dadurch "wesentlich beschleunigt" werden, heißt es offiziell. Dass die Arbeitgeber direkt auf die Steuerdaten ihrer Mitarbeiter zugreifen können, wird nun aber erneut verschoben. "Bund und Länder stimmen einen neuen Termin ab", sagte eine Mitarbeiterin des Bundesfinanzministeriums dem Abendblatt. Vermutlich startet das System wohl erst im zweiten Quartal 2012. Zuvor soll es einen "Pilotversuch" geben. Für diesen hatte Hamburg schon früher geworben - vergebens.