Schön und teuer, einladend und unergründlich, kleinstädtisch und groß zugleich - wie Hamburg auf drei Studienanfänger wirkt. Ein Erstkontakt.

Hamburg. Im Moment besteht Timo Grimms größtes Problem darin, jeden Abend wieder nach Hause zu finden. Nach einer Woche in Hamburg sei der Weg in seine Schanzen-WG immer noch "ein Abenteuer". Und zwar nicht, weil er in exzessiv feiernde Studentenkreise geraten wäre, sondern weil ihn die schiere Größe der Stadt bisweilen überfordert. Dagegen hadert seine Studienkollegin Elena Starkowski mit den Fahrzeiten der U-Bahn, und Sophia Gisbertz, ebenfalls Studierende der Romanistik, ist einfach nur "überwältigt".

Eigentlich wollten die drei Erstsemester im 11. Stock des Philosophenturms schonungslos über ihre ersten Eindrücke von Hamburg reden. Aber jetzt fällt ihnen partout nichts Negatives ein. Kein Nörgeln über marode Uni-Gebäude, überfüllte Seminare, akute Wohnungsnot oder Dauerstaus im Elbtunnel. Nichts.

In den alten Sofas des Romanisten-Cafés müssen sie lange überlegen, bis ihnen doch noch ein Manko des neuen Großstadtlebens einfällt: "Es ist unglaublich teuer hier."

Im Gegensatz zu anderen Studienbeginnern, 8500 sind es allein an der Universität, haben alle drei Hamburg-Frischlinge immerhin eine Bleibe. Dementsprechend sorglos können Elena aus Kassel, Timo aus Lübeck und Sophia aus Xanten ihre neue Heimat erkunden. Noch gehen sie mit großen Augen durch die Stadt, sehen alles zum ersten Mal und haben einen unverstellten Blick. Lediglich das obligatorische Uni-Einsteigerprogramm mit Schanze und Hafen liegt schon hinter ihnen.

Mit den Worten "Peinlich, aber ich weiß jetzt gar nicht, wo es zum Uni-Hauptgebäude geht" irrt Elena, 23, über den Campus. "Ich glaube, hier geht's lang", sagt Sophia. Und mit Timo steuern die jungen Frauen tatsächlich das schönste Gebäude der Universität an. "Groß, aber gut" sei ihr Eindruck von der Lernstätte. Noch haben sie nicht in den chronisch überfüllten Einführungsveranstaltungen gesessen.

+++ Chaos für Anfänger +++

+++ 170 Studiengänge, 22 Fachbereiche und 187 Gebäude +++

"Ich wollte unbedingt in einer Großstadt studieren", sagt Sophia. Für sie war die Umgebung wichtiger als der Ruf der Uni. Alternativ wäre für die 19-Jährige nur noch Berlin infrage gekommen. "Aber Hamburg war mein Wunschkandidat", sagt sie, was sich mit Elenas Favoritenkreis deckt: "Mein erster Eindruck von Hamburg ist, dass die Stadt unglaublich schön und unglaublich grün ist", sagt die Hessin. In den Vierteln mute es fast kleinstädtisch an, wobei sie bisher die Erfahrung gemacht habe, nur ausgesprochen offene Menschen zu treffen. Alle seien nett und hilfsbereit. Nicht zu vergleichen mit Kassel, ihrem Heimatort. Timo ist vor allem von der kulturellen Vielfalt angetan. Darum sei es für ihn ein Segen, in einer WG in der Schanze untergekommen zu sein. Für 350 Euro.

Und da ist es, das Hauptproblem der Neuankömmlinge: die Preise. "Ey, ist das bei euch auch so teuer?", will Timo von den anderen wissen. Und alle stellen fest: Ja, verdammt, Hamburg ist teuer. Elena zahlt 530 Euro für ihre 41-Quadratmeter-Wohnung in Borgfelde, Sophia für halb so viel Raum in Eppendorf 280 Euro. "Das nennt man wohl teures Großstadtpflaster", sagt Elena. Glücklicherweise habe sie einen Job in einem Musikladen gefunden, um "nicht nur Tochter zu sein". Aber auch das sei nicht einfach gewesen: "Denn wenn man herkommt, sagen alle: Geh in die Bars und frage nach einem Job. Aber das hat erst mal gar nicht geklappt."

Timo und Sophia haben noch keinen Nebenjob. Dafür aber schon Hamburger Lieblingsplätze. "Ich finde St. Pauli und den Hamburger Berg total spannend", erzählt Timo. Der Musikfan will vor allem Stammgast im Molotow werden. "Ein Superladen", sagt er. Bei Sophia hat der erste Abstecher zum Hafen Eindruck hinterlassen. "Zurzeit bin ich sehr gern dort." Elena dagegen kehrt derzeit am liebsten in den "Sommersalon" ein. Immer wieder fällt das Wort "aufregend". Betulichkeitstendenzen, die Hamburg gern aus der Hauptstadt vorgeworfen werden, können die Neulinge jedenfalls nicht feststellen. Sie sind viel zu sehr damit beschäftigt, ihre ersten Anker zu werfen.

Mit den 900 Tutoren der Universität haben die Erstsemester einen einwöchigen Schnelldurchlauf zur Uni-Organisation hinter sich. Hamburg wurde etwa bei Nacht erkundet, die Geschichte des Grindelviertels ausgeleuchtet. "Darüber hinaus will ich auf jeden Fall die ganzen Museen und Ausstellungen sehen", sagt Sophia. Denn alle Erstsemester haben eine Hamburg-Card geschenkt bekommen, mit der sie Ermäßigungen nutzen können. Kein schlechter Schachzug der Stadt, meinen die drei, ihren Neubürgern das Entdecken so schmackhaft zu machen.

Elena und Timo kommen ohnehin schnell über die Musik zu den Vorzügen der Stadt. Denn für Konzertgänger sei Hamburg ein exzellentes Pflaster. "Wobei die U-Bahnen in der Woche durchaus länger fahren könnten", sagt Elena. "Das muss man dem HVV mal sagen." Sonst noch kritische Töne? "Naja, ich glaube, vorerst würde ich aufs Radfahren verzichten. Das scheint hier ein echtes Wagnis zu sein", sagt Timo.

Ansonsten überwiegt bei den Dreien der Durst nach neuen Erfahrungen. Und klar, alle wollen unbedingt auf den Fischmarkt, um dort nach einer durchzechten Nacht mit einem nahrhaften Brötchen zurück ins Leben zu finden.

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