Der KlimaCampus Hamburg bekommt bald einen eigenen Uni-Neubau, so kann noch besser geforscht werden

Lebt bald kein Dorsch mehr in der Ostsee? Warum nieselt es im Südwesten Hamburgs manchmal nur, während es im Nordosten schüttet? Und gibt es einen Klimawandel wirklich erst, seitdem Öl und Kohle verbrannt werden?

Diesen spannenden Fragen gehen Wissenschaftler am KlimaCampus Hamburg nach. Hier wird die Klimaforschung der Hamburger Universität, des Max-Planck-Instituts für Meteorologie, des Helmholtz-Zentrums Geesthacht und des Deutschen Klimarechenzentrums gebündelt und vernetzt. Beteiligt sind Forscher verschiedener Disziplinen: Naturwissenschaftler, Sozial- und Wirtschaftsexperten, Medienwissenschaftler oder Friedensforscher.

Keimzelle des KlimaCampus ist der Exzellenzcluster CliSAP ("Integrated Climate System Analysis and Prediction") der Universität Hamburg und ihrer Partner. Das bis 2012 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 32 Millionen Euro geförderte Projekt startete im Oktober 2007 und legte sozusagen den Grundstein für den KlimaCampus Hamburg. Durch die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit und das breite Spektrum ist CliSAP in Deutschland einmalig.

"Der Klimawandel ist nicht nur eine wissenschaftliche, sondern auch eine gesellschaftliche Herausforderung", sagt CliSAP-Sprecher Martin Claußen, Professor an der Uni Hamburg und Direktor am Max-Planck-Institut. Daher verfolge CliSAP einen integrierten Ansatz. "Einerseits geht es uns um die Analyse des Klimasystems. Wir erforschen nicht nur Temperatur und Niederschlag, sondern auch das Eingreifen des Menschen in die Natur", erklärt Claußen. "Auf der anderen Seite interessiert uns, wie die Gesellschaft auf den Klimawandel reagiert. Wie gehen wir mit Ressourcen um, welche Bedeutung hat der Handel mit CO2-Zertifikaten, welche Rolle spielt die Presse in der Klimadiskussion oder kann die Klimaveränderung die Sicherheit eines Landes gefährden."

Das Kerngeschäft am KlimaCampus ist die Grundlagenforschung. Mithilfe komplexer Rechenmodelle analysieren die Wissenschaftler vergangene und aktuelle Klimaveränderungen und entwickeln daraus tragfähige Szenarien möglicher Klimaänderungen. "Gefüttert" werden die Modelle mit Messdaten über Eis, Ozean, Land und Atmosphäre.

Um feststellen zu können, wie Meereis drifted, mit welcher Geschwindigkeit Wasser im Ozean fließt oder wie sich Luftverschmutzung in einer Großstadt ausbreitet, steht den Wissenschaftlern die neueste Technik zur Verfügung. Zum Beispiel der Klimarechner des Deutschen Klimarechenzentrums, einer der größten der Welt, der 158 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde ausführen kann und dabei neben Atmosphäre und Ozeanen auch zahlreiche andere Faktoren berücksichtigt, etwa Prozesse in Eis, Boden oder Pflanzenwelt.

Oder der Grenzschichtwindkanal im Geomatikum, der größte Europas, in dem mit einem Stadtmodell von Hamburg simuliert werden kann, wie sich Luftströmungen zwischen Hochhäusern oder über der Alster verhalten.

Bei ihren Forschungen stoßen die Wissenschaftler oft auf Erstaunliches. So entdeckten sie, dass es einen Klimawandel schon vor der Industrialisierung, vor der Verbrennung von Öl und Kohle, gab. Ackerland nämlich, für das unsere Vorfahren ganze Wälder rodeten, speichert sehr viel weniger CO2 als Waldgebiet. So kam es bereits in der vorindustriellen Zeit zu einem Anstieg von Kohlenstoff in der Luft. Ein "kleiner" Klimawandel also, der allerdings nicht für weltweit höhere Temperaturen sorgte. "Regional dürften die Effekte der Landnutzung jedoch durchaus spürbar gewesen sein", sagt Claußen. "Wenn wir sämtliche Prozesse zusammen betrachten, sehen wir, dass tropische Wälder eher kühlen und Wälder unserer Breiten eher wärmen."

Ein weiteres Forschungsfeld ist das Stadtklima. Oft weht auf dem Land ein frischer Wind, während die heiße Luft in der Stadt zu stehen scheint. Unterschiede gibt es auch beim Niederschlag. Denn in Ballungsräumen wirkt der Klimawandel mit Bebauung, Vegetation, Industrie und Verkehr zusammen und beeinflusst Temperatur, Wind und Niederschlag. In Fuhlsbüttel beispielsweise, so ergab eine Analyse von KlimaCampus und Wetterdienst, stieg die Temperatur seit 1891 kontinuierlich an, besonders in den vergangen Jahrzehnten.

Auch die Zahl der überdurchschnittlich starken Regenfälle nahm hier zu. Allerdings nicht nur in Fuhlsbüttel, sondern europaweit. Das könnte den Kabeljau aus der Ostsee vertreiben. Der Fisch aus der Familie der Dorsche mag es nämlich nicht, wenn der Salzgehalt der Ostsee weiter sinkt - und das kann passieren, wenn Starkregenfälle über die Flüsse mehr Süßwasser ins Meer spülen.

Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichen die Klimaforscher nicht nur in Fachzeitschriften, sondern stellen sie auch der Öffentlichkeit vor, zum Beispiel bei der "Nacht des Wissens", der "Klimawoche" und in Broschüren ( www.klimacampus.de ). Ihre Aussagen über mögliche Klimaentwicklungen und Hinweise auf nötige Anpassungen sind Grundlagen einer sinnvollen Klimapolitik.

Noch ist der KlimaCampus Hamburg ein eher virtueller Ort - die beteiligten Institutionen sitzen an verschiedenen Stellen der Stadt. Im Zuge des Unineubaus sollen sie jedoch an einem echten Campus an der Bundesstraße angesiedelt werden. Für den Exzellenzcluster CliSAP wurde gerade bei der DFG ein Fortsetzungsantrag gestellt, über den im Juni 2012 entschieden wird. Dann wollen sich Claußen und die anderen Wissenschaftler den Themen Arktis und Permafrost, regionale Stürme und Stadtklima widmen.