Rund ein Drittel der 210 Stellen in Hamburg und Schleswig-Holstein sollen laut Gewerkschaft wegfallen. Schalter heute geschlossen.

Hamburg. Den Gang ins Reisezentrum können sich Bahnreisende in Hamburg und Schleswig-Holstein heute sparen. Zwischen neun und 17 Uhr werden die Kunden an allen großen Schaltern in der Hansestadt vor verschlossenen Türen stehen. Im nördlichen Nachbarland bleiben viele kleinere Reisezentren gleich den ganzen Tag über geschlossen. Wer ein Ticket kaufen möchte, muss aufs Internet oder den Automaten ausweichen.

Hintergrund ist eine Betriebsversammlung, auf der die Bahn ihre Mitarbeiter über den bevorstehenden Stellenabbau in den Reisezentren informieren will. Nach Informationen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) stehen den Beschäftigten im Norden dabei drastische Einschnitte bevor. "Wir gehen davon aus, dass mit 75 Arbeitsplätzen rund ein Drittel der 210 Stellen in den Reisezentren in der Hansestadt und Schleswig-Holstein wegfallen wird", sagte der Hamburger Geschäftsleiter der EVG, Frank Maur. Der Abbau treffe vor allem die großen Verkaufs- und Beratungsstellen am Hamburger Hauptbahnhof, in Kiel und Lübeck.

Die Bahn wollte diese Zahlen gestern gegenüber dem Abendblatt nicht bestätigen. Bereits Mitte August hatte das staatseigene Unternehmen angekündigt, bis 2016 bundesweit rund 700 Stellen an den Ticketschaltern zu streichen. "Wie sich dieses Sparprogramm auf die einzelnen Bundesländer verteilt, können wir derzeit aber noch nicht sagen", erklärte die Hamburger Bahnsprecherin Sabine Brunkhorst.

Grund für das Sparprogramm ist das veränderte Buchungsverhalten der Bahnkunden. "Wir stellen fest, dass immer mehr Reisende ihre Fahrkarten im Internet buchen oder am Automaten kaufen", sagt Brunkhorst. Schon heute liegt der Umsatzanteil der Reisezentren beim Ticketkauf nur noch bei 22 Prozent. Der Konzern rechnet damit, dass dieser Anteil bis 2016 noch weiter auf 17 Prozent zurückgehen wird. "Daher macht es Sinn, die Zahl der Mitarbeiter in den Reisezentren zu reduzieren", sagt Brunkhorst.

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Die Gewerkschaft kritisiert den geplanten Stellenabbau hingegen scharf. "Die Streichung von Arbeitsplätzen bedeutet nicht nur Einschnitte für die Beschäftigten, sondern auch eine deutlich schlechtere Servicequalität", sagt EVG-Geschäftsleiter Maur. Vor allem ältere Fahrgäste seien es gewohnt, ihre Tickets in den Reisezentren zu kaufen und sich dabei beraten zu lassen. Beim Kartenkauf am Automaten oder im Internet komme es hingegen immer wieder zu technischen Schwierigkeiten. Nicht zuletzt deshalb gebe es in großen Reisezentren extra Mitarbeiter, die den Fahrgästen den Umgang mit den Automaten erklären müssten.

Die EVG rechnet zudem damit, dass der geplante Arbeitsplatzabbau zu deutlich längeren Wartezeiten für die Reisenden führen wird. Am Berliner Hauptbahnhof vermaß die Gewerkschaft vor einigen Wochen öffentlichkeitswirksam die Warteschlange vor dem dortigen Reisezentrum und kam dabei auf 13 Meter. Dies sei ein deutlicher Beweis dafür, dass die Bahn bereits jetzt vor einem Servicekollaps stehe.

Kritik an dem Sparprogramm kommt auch vom Fahrgastverband Pro Bahn. "Der Konzern agiert ausgesprochen fantasielos", sagte der Verbandsvorsitzende Karl-Peter Naumann dem Abendblatt. "Anstatt einfach Stellen zu streichen, sollte sich die Bahn lieber darum kümmern, ihr Angebot in den Reisezentren auszuweiten." So könnte das Unternehmen aus der Sicht Naumanns auch Snacks und Getränke in kleineren Servicestellen anbieten. Denkbar sei auch, neben Fahrkarten Konzerttickets zu verkaufen. "Zudem sollte die Bahn Serviceschalter einrichten, an denen sich die Kunden bei technischen Problemen mit Internetbuchungen oder Handytickets helfen lassen können."

Unterdessen bereitet sich die Bahn intensiv auf den kommenden Winter vor, um ein Chaos wie im vergangenen Jahr zu vermeiden. "Wir wollen unseren Kunden auch bei starken Wintereinbrüchen einen zuverlässigen und planbaren Zugverkehr bieten", erklärte DB-Verkehrsvorstand Ulrich Homburg gestern. Auf Bahnhöfen seien inzwischen mehr als 2000 Anzeigetafeln installiert worden, die über mögliche Abweichungen vom Fahrplan informierten. Außerdem seien in den sechs Fernverkehrswerken München, Frankfurt am Main, Köln, Dortmund, Hamburg und Berlin Enteisungsanlagen eingerichtet worden, um das Abtauen der Züge zu beschleunigen. Im Nahverkehr stünden zusätzlich zu den Werkshallen acht Abtauzelte zur Verfügung.