Nach dem Bundesligaspiel am Sonntag stiegen viele HSV- und Schalke-Anhänger in Stellingen wie gewohnt mit Bier in die S-Bahn.

Stellingen. Biergeruch in Zügen und auf Bahnsteigen? Dürfte es in Hamburg eigentlich nicht mehr geben. Denn seit September gilt im öffentlichen Nahverkehr der Hansestadt, dem HVV, ein Alkoholkonsumverbot für Bus und Bahn. Nach einer einmonatigen "Eingewöhnungsphase", in der es bei Verwarnungen blieb, soll das Verbot seit dem 1. Oktober auch durchgesetzt werden - zur Not per Vertragsstrafe in Höhe von 40 Euro. Doch diese Drohung fruchtete zumindest beim Bundesligaheimspiel des HSV am Wochenende nicht, zumal sie eine leere blieb.

Ortstermin: Sonntag, um kurz vor 19.30 Uhr, am S-Bahnhof Stellingen. Nach und nach strömen die Fußballfans aus der nahen Arena heran. 1:2 hat der HSV gerade gegen Schalke verloren. Viele, wohl die meisten Menschen hier, halten Volumenprozent-Getränke in der Hand. Die einen als Frustbier, die anderen als Freudenpils. Beides ist hier oben auf dem Bahnsteig untersagt.

"Im Ernst? Das wusste ich gar nicht", sagt HSV-Fan André F. und nimmt kopfschüttelnd einen Schluck aus seiner braunen Buddel. Seine Kumpel tun's ihm gleich. "Dass man in der Bahn nix mehr trinken darf, hab ich gehört. Bekloppt! Aber dass das schon beim Warten auf den Zug verboten ist - na, Prost Mahlzeit!", sagt Peter P. "Atmen darf man hier wohl bald auch nicht mehr ...", empört sich Martin F. Die Freunde aus Uelzen sind sich einig: "Biertrinken und Fußballgucken gehören zusammen - und daran ändert auch der HVV nix."

+++ Friedliche, feuchtfröhliche Nacht in Hamburgs Bahnen +++

+++ Tausende feiern in vollen Zügen +++

Das finden auch zwei weitere HSV-Anhänger ein paar Meter weiter, Sven und Claudia H. Sie verstehen den Sinn des HVV-Alkoholverbots nicht: "Als ob ein normaler Mensch rumpöbeln würde, nur weil er ein Bierchen trinkt", sagen die Eheleute aus Bergedorf. "Idioten allerdings, die sich generell nicht benehmen können und in der Bahn unverschämt oder aggressiv sind, werden auch durch das Alkoholverbot nicht zu angenehmeren Zeitgenossen."

Sandra W., HSV-Fan aus Bergedorf, sieht das anders. Mit Sohn Tim steht sie am Bahnhofseingang, wo sich die Massen ausgerechnet in einem Deutsche-Bahn-Laden für die Heimfahrt mit Gerstensaft eindecken. "Wie schnell artet das Trinken in Saufen aus und damit in Gegröle und Gestank! Das ist unangenehm, erst recht für meinen Sohn. Das gehört nicht in die Öffentlichkeit."

Die Sicherheitskräfte im S-Bahnhof Stellingen nehmen die Verstöße gegen das Alkoholverbot hin. "Was sollen wir denn auch tun, mit einem Dutzend Leuten auf der einen Seite gegen Tausende auf der anderen?", sagt einer der Wachmänner achselzuckend.

"Wir wollen das Alkoholverbot im HVV mit Augenmaß durchsetzen", sagt Sabine Brunkhorst, Sprecherin der Deutschen Bahn. "Das heißt, dass wir zwar auf Plakaten und Anzeigetafeln ständig und deutlich auf das Verbot hinweisen, aber bei Massenveranstaltungen wie einem HSV-Spiel nicht jeden Einzelnen zur Rechenschaft ziehen können." Ist das nicht eine Inkonsequenz, die den Biergeruch in Bussen und Bahnen weiter fördert? "Wir vertrauen darauf", antwortet Brunkhorst, "dass sich das Alkoholverbot mit der Zeit durchsetzen wird, so wie es das Rauchverbot ja auch getan hat."