Ermittler beschlagnahmen Verträge in Securvita-Zentrale. Verdacht auf Untreue. Gründer soll von Anmietung zu großer Büros profitiert haben.

St. Georg. Um kurz nach 9 Uhr parkten die Beamten des Landeskriminalamts ihre dunklen Kombis vor dem schicken Bürogebäude mit dem großen Securvita-Emblem auf dem Dach. Mehr als 80 Beamte und drei Staatsanwälte durchsuchten in den folgenden Stunden die Räume von sieben Gesellschaften und Unternehmen, die am Lübeckertordamm ihren Sitz haben: die Zentrale der Krankenkasse Securvita BKK und die Büros sechs weiterer Unternehmen, die zur Securvita-Unternehmensgruppe gehören. Erst am frühen Abend verließen die Beamten mit großen Mengen beschlagnahmter Unterlagen den Neubaukomplex wieder, der in den Mittelpunkt eines äußerst spannenden Wirtschaftskrimis gerückt ist.

Die Durchsuchungen, die auch ein Architekturbüro und eine Firma in Oststeinbek im Kreis Stormarn betrafen, sind ein weiterer Baustein in den Untersuchungen der Staatsanwaltschaft. Die Behörde ermittelt seit März vergangenen Jahres gegen den Gründer und Verwaltungsratsvorsitzenden der Securvita BKK, Thomas Martens, gegen Vorstand Ellis Huber, zwei ehemalige Vorstände sowie zwei weitere Personen, nachdem das Bundesversicherungsamt (BVA) und eine Privatperson Strafanzeige wegen des Verdachts der Untreue in einem besonders schweren Fall gegen unbekannt erstattet hatten.

Lesen Sie auch weitere Artikel zum Thema:

Krankenkassen-Skandal in Hamburg - Chefs vor Rauswurf

Die Securvita BKK

Das Abendblatt berichtete bereits exklusiv über die Vorwürfe des Bundesversicherungsamts: Thomas Martens soll die Interessen der Krankenkasse nicht angemessen vertreten und den 170 000 Versicherten erheblichen Schaden zugefügt haben. Aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtungen gebe es eine Interessenkollision zwischen der Securvita Krankenkasse und der von Martens beherrschten Securvita Unternehmensgruppe. Martens' zentrale Rolle im Unternehmen und die als Vorsitzender der Versicherung seien nicht vereinbar.

Nicht zuletzt geht es um den Mietvertrag für die Räume der Krankenkassen-Zentrale am Lübeckertordamm. Den Neubau geplant hatte die L.T.D. Lübeckertordamm Entwicklungs-GmbH. Die Gesellschaft hatte auch den Mietvertrag über 20 Jahre mit der Krankenversicherung abgeschlossen. Pikant: Bereits bei Mietabschluss soll klar gewesen sein, dass die Krankenversicherung Büroflächen weit über Bedarf angemietet hatte. Und: Martens war Mitgesellschafter der Vermieter-Gesellschaft. Er soll besonders profitiert haben. Nach Vertragsabschluss verkaufte er seine Anteile in Höhe von 50 000 Euro für 4,225 Millionen Euro. Martens wies bislang alle Vorwürfe zurück. Die Krankenkasse war gestern nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

"Es besteht der Anfangsverdacht, dass Verträge bezüglich eines Neubaus auf dem damals unbebauten Grundstück am Lübeckertordamm 1-3 unter Verletzung von Vermögensbetreuungspflichten geschlossen worden sind", sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers, Sprecher der Staatsanwaltschaft. "Wir sichern Unterlagen jedweder Art: Verträge, Beschlüsse, Buchhaltungs- und Kontounterlagen." Die Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen werde voraussichtlich mehrere Wochen in Anspruch nehmen.

Während die zu Martens' Firmengruppe gehörenden Unternehmensräume ausführlich gefilzt wurden, darunter die Büros der Securvita Finanzdienstleistungen GmbH und der Lübeckertordamm Gesundheitszentrum GmbH, blieben die Privatwohnungen der sechs Beschuldigten, unter denen eine Frau ist, unberührt.

Gesetzliche Krankenversicherungen sind keine Privatunternehmen und dürfen nicht gewinnorientiert arbeiten. Insofern gelten für sie besondere gesetzliche Vorgaben. Am Lübeckertordamm residiert nicht nur die gesetzliche Krankenversicherung Securvita BKK. Unter einem Dach firmieren Privatgesellschaften, die zum Teil ebenfalls den Namen Securvita tragen und an denen Martens beteiligt ist. Zwischen der gesetzlichen Krankenkasse und einigen der Unternehmen gibt es enge geschäftliche Verbindungen. Der Vorwurf gegen Martens lautet, beide Seiten nicht genügend zu trennen.

Das Bundesversicherungsamt (BVA), das seinen Sitz in Bonn hat, äußerte sich gestern nicht zu den Durchsuchungen in Hamburg. Es seien keine Vertreter des BVA an der Razzia beteiligt gewesen. Die oberste Aufsichtsbehörde der Krankenkassen hatte bereits im April versucht, Securvita-Verwaltungsratschef Martens und Vorstand Huber von ihren Posten entheben zu lassen. "Krankenkassen sind eigenständige Körperschaften, die Vorstand und Verwaltungsrat selbst bestimmen und auch absetzen", sagte BVA-Sprecher Tobias Schmidt. Der Verwaltungsrat könne aber mit einem sogenannten Verpflichtungsbescheid zu personellen Konsequenzen aufgefordert werden. Im Fall Securvita scheiterte das BVA allerdings bislang an den Mitgliedern des Verwaltungsrates, die gegen einen entsprechenden Bescheid geklagt hatten.

Mit der jüngsten Sozialwahl im Juni hat sich allerdings auch die Zusammensetzung des Verwaltungsrats leicht verändert, und das BVA unternahm einen neuen Versuch. "Wir haben das Gremium bereits schriftlich beraten", sagte Schmidt, dies sei der erste Schritt, wenn das BVA einem Rechtsverstoß nachgehe. Der Verwaltungsrat zeigte sich aber nicht offener als beim ersten Versuch: "Er ist unserer Beratung nicht gefolgt", sagte Tobias Schmidt.