Die Abgeordneten haben Benedikt XVI. selbst geladen

Es ist in einer Demokratie angemessen zu streiten, ob ausgerechnet der Papst am Rednerpult des Deutschen Bundestages richtig aufgestellt ist. Und ob er dort als Repräsentant der katholischen Weltkirche auftreten soll, als Staatsoberhaupt des Vatikans oder nur, weil er der erste deutsche Papst seit 1523 ist und wohl keiner der Parlamentarier eine ähnliche historische Chance noch mal erleben wird. Die Debatte darüber ist spannend und sie ist richtig. Aber sie ist völlig unangemessen in diesen Tagen, wenige Stunden vor dem viertägigen Deutschlandbesuch von Benedikt XVI.

Mehr noch: Die Kritik am Papstauftritt ist peinlich. So peinlich wie das kurze Gedächtnis der rund 100 Parlamentarier aus SPD, Grünen und Linken, die nicht mal die Geduld aufbringen wollen, sich anzuhören, was ihnen der Papst in 30 Minuten zu sagen hat. Schließlich steht der Kirchenmann dort nicht aus eigener Gnade. Die Abgeordneten selbst haben ihn gebeten. Im Mai haben Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) in Rom den vor sechs Jahren von den Kardinälen gewählten Papst zu ebendieser Rede eingeladen, "mit Zustimmung aller Fraktionen", wie es da noch hieß. Im Nachhinein eine Rolle rückwärts zu machen sagt manches aus über das Haltbarkeitsdatum der Meinung von Politikern, die ihre Entscheidungen sonst gern mit dem Siegel "nachhaltig" anpreisen.

Zu kurz gedacht ist es auch, die notwendige Trennung von Staat und Kirche zu zitieren, um den Papst als Redner im Parlament abzulehnen. Neutralität im demokratischen Staat heißt nicht, gegen Glaube und Religion aufzutreten, sondern den Gläubigen Freiraum zu bieten. Die Bundestags-Vizepräsidentin ist zugleich Präses der Synode der Evangelischen Kirche und im Reichstagsgebäude in Berlin gibt es einen Andachtsraum, ohne dass wir gleich fürchten, in einem Kirchenstaat zu leben. Alle Fraktionen haben religionspolitische Sprecher. Im Übrigen haben auch andere Staatsgäste, die im Bundestag reden durften, gemischte Gefühle ausgelöst, von Wladimir Putin bis George Bush. Wer aus seiner Papstkritik gleich ein Dogma macht, ist vielleicht nur ein Ewiggestriger.