Zwei Projekte in Marienthal und Ohlsdorf zeigen, dass sich Anwohner und Politiker an das neue Miteinander erst noch gewöhnen müssen.

Marienthal/Ohlsdorf. Mehr als 250 Marienthaler waren am Donnerstagabend ins Vereinsheim des SC Concordia gekommen, um über die Bebauungspläne für das ehemalige Marienthaler Stadion zu diskutieren. Doch die neuerdings erwünschte Bürgerbeteiligung entwickelte sich rasch zu einem Lehrstück schiefgegangener Basisdemokratie: Auf der einen Seite die Bürgerinitiative "Schützt das Wandsbeker Gehölz und die Struktur von Marienthal", auf der anderen die Vertreter des Immobilienmanagements der Hamburger Finanzbehörde und zwei Vertreterinnen der Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg, die mit der Erstellung eines Baukonzepts beauftragt ist. Dazwischen Vertreter der Parteien aus der Wandsbeker Bezirksversammlung - nur Die Linke war nicht anwesend.

Die beschlossenen Rahmendaten wurden von der Wandsbeker Bezirksversammlung bereits am 17. November 2009 der zuständigen Finanzbehörde übermittelt. Sie beinhalten unter anderem: maximal zwei Geschosse plus Staffelgeschoss, eine angepasste, offene Bauweise, vorwiegend Einfamilienhäuser und keine Reihenhäuser.

Jetzt bezieht man die Bürger in die konkrete Planungsphase mit ein, "einmal, um die Vorgänge zu beschleunigen, auf der anderen Seite aber auch, um die Möglichkeit von Protesten oder Bürgerbegehren im Vorfeld zu minimieren", wie es der Wandsbeker Bezirksabgeordnete und "Fachsprecher Planung", Rainer Schünemann (SPD), formuliert. So waren auch die Vertreter der Stadt nach eigenem Bekunden zu einer "ergebnisoffenen Diskussions- und Informationsveranstaltung" bereit, aber kaum einer der Anwesenden: Die wollten Zahlen und Fakten hören, die jedoch nicht genannt wurden. Sie unterstellten den Politikern, "Schlafmittelpolitik" zu betreiben. Der Versuch einer Bürgerbeteiligung scheiterte noch ehe er richtig begonnen hatte.

Die misstrauischen Marienthaler befürchten eine "massive Bebauung mit Gebäuderiegeln und mehreren Staffelgeschossen". Das tun sie nicht zuletzt deswegen, weil bezüglich des Baugrunds an der Oktaviostraße bereits Zahlen "von bis zu 100 Wohneinheiten" kursierten - was von den Behördenvertretern und Stadtplanern jedoch nicht bestätigt wurde. Die Marienthaler votierten einstimmig für eine Parzellierung sowie den Direktverkauf der Grundstücke an Privatpersonen. Dies würde höchstens zwölf Wohneinheiten bedeuten, dafür aber auch "der historischen Struktur des Stadtteils" entsprechen. Und den Interessen der Anwohner. "Wir fordern vom Staat, dass er sich an die gleichen Regeln hält, die er uns vorgegeben hat", sagt Eckhard Mohr, "aber die Versammlung zeigt, dass die Stadt unser eindeutiges Votum infrage stellt." Auf einem Planungsworkshop Ende September wollen beide Parteien ein zweites Mal versuchen, einen Kompromiss zu finden. Rainer Schünemann glaubt, dass dies gelingen könnte: "Die Politik hat das Bedürfnis der Bürger nach mehr Beteiligung verstanden. Vielleicht sollte man solche Veranstaltungen zukünftig jedoch bürgergerechter vorbereiten."

Auch auf der Bezirksversammlung in Hamburg-Nord am Dienstagabend zeigte sich, dass sich Bürger und Politiker noch aneinander gewöhnen müssen. Etwa 30 Ohlsdorfer hatten sich eingefunden, um gegen den Bebauungsplanentwurf Ohlsdorf 27 zu protestieren. Es geht um ein 2400 Quadratmeter großes Grundstück an der Ecke Kerbelweg/Beisserstraße, das als Parkanlage genutzt wird und als solche auch im bestehenden Bebauungsplan ausgewiesen ist. Ein erster Entwurf sah dort drei fünfgeschossige Mehrfamilienhäuser mit 40 Eigentumswohnungen vor. Dagegen hatte sich eine Bürgerinitiative gebildet und mit rund 200 Unterschriften beim Bezirksamt protestiert. Kritikpunkte: Das Gebäude sei zu massiv, und die geplante Tiefgarage solle über den Kerbelweg angefahren werden, obwohl die Adresse doch die Beisserstraße sei.

Was die Ohlsdorfer nicht wussten: Die Politiker hatten ihren Forderungen bereits nachgegeben. In einem interfraktionellen Antrag sollte darüber abgestimmt werden, dass der Bebauungsplan Ohlsdorf 27 nur noch drei Vollgeschosse ohne Staffelgeschoss vorsehe, dass die Lage der Tiefgarage neu geplant und der Abstand zu den Bestandsgebäuden verringert werde. Trotzdem gab es Tumulte: Die Bürger, mit dem Ablauf einer Bezirksversammlung nicht vertraut, brachten ihre Einwände nicht zum richtigen Zeitpunkt vor - und verließen schimpfend den Sitzungssaal, als plötzlich der nächste Tagesordnungspunkt drankam. Claus-Joachim Dickow (FDP), Elisabeth Voet van Vormizeele (CDU) und Thomas Domres (SPD) folgten ihnen, um sie im Vorraum zu beruhigen und sie von dem neuen Sachstand in Kenntnis zu setzen.