Eine Familienberaterin erklärt, wie sie Patchworkfamilien hilft

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts gibt es 347 000 Patchworkfamilien in Deutschland. Die berühmteste ist die des Bundespräsidenten: Christian Wulff hat aus seiner ersten Ehe eine Tochter. Mit seiner zweiten Ehefrau Bettina, die einen Sohn mit in die Ehe brachte, hat er einen Sohn. Der Übergang in die Patchworkfamilie als Familienkonzept ist für viele schwer. Das Abendblatt sprach mit der Hamburger Paar- und Familientherapeutin Barbara Frahm über den Fall von Marit und ihrer Stiefmutter Irmgard - und darüber, wie eine erfolgreiche Therapie aussehen kann.

Hamburger Abendblatt:

Frau Frahm, inwiefern ist der Fall von Marit und Irmgard typisch für die Fälle, die Sie beraten?

Barbara Frahm:

Die Konfliktlinien sind häufig dieselben. Der Vater scheint der Tochter nicht erklärt zu haben, wie der Kontakt nach der Trennung von seiner ersten Frau und nach der Heirat mit der zweiten Frau aussehen soll. In solchen Fällen fangen die leiblichen Kinder an, den neuen Partner zu bekämpfen. Das ist die schwächste Stelle im System.

Welche Fehler haben die beiden Frauen gemacht?

Frahm:

Irmgard hätte akzeptieren müssen, dass Marit als Tochter die längere Beziehung zu ihrem Vater hat, sie hätte das mehr wertschätzen können. Sie hat ihren Mann in ihr eigenes Familiensystem geholt und die Grenzen geschlossen. Marit hätte erwachsener agieren können, sie war schließlich zum Zeitpunkt der Trennung schon Mitte 30. Sie hätte das Gespräch mit Irmgard suchen müssen.

Warum kommen Familien zu Ihnen?

Frahm:

Weil die leiblichen Eltern und ihre neuen Partner Fehler gemacht haben, die Übergänge in das neue Familiensystem zu gestalten. Die Leidtragenden sind die Kinder. Sie werden verhaltensauffällig, können sich nicht konzentrieren, sie stehlen oder wollen den abwesenden Elternteil nicht mehr besuchen. Oder sie werden krank.

Wie lösen Sie die Situation?

Frahm:

Wir versuchen, alle handelnden Personen an einen Tisch zu bekommen. Die getrennt lebenden Eltern mit ihren Kindern und die neuen Partnern mit ihren Kindern. Häufig ist das Treffen mit allen Beteiligten aber nicht möglich, weil die leiblichen Eltern schon so zerstritten sind. Wir besprechen in unseren Sitzungen, was gut läuft und was schlecht läuft. Viele Frauen sehen in den Kindern ihres Mannes eine Altlast. Sie ertragen es nicht, dass es vor ihnen eine Geschichte gab, Sexualität. Das ist ein großer Störfaktor. Der Mann muss mit seiner Partnerin darüber reden, wie er damit umgeht, dass er Vater ist. Wir versuchen, die Kinder zu Wort kommen zu lassen und ihre Botschaften für die Erwachsenen zu übersetzen.

Welche Botschaften haben die Kinder?

Frahm:

Meistens möchten sie mitbestimmen, was mit ihnen passiert. Wann und wie häufig sie ihren Vater oder ihre Mutter sehen.

Gehen Jungs und Mädchen unterschiedlich mit solchen Situationen um?

Frahm:

Mädchen sind in Trennungssituationen eher bereit, dagegen zu kämpfen. Jungs sind schneller bereit, die Trennung zu akzeptieren.

Wie lange dauert die Beratung in Ihrer Einrichtung?

Frahm:

Wenn Kinder massive psychische Störungen entwickelt haben, sodass sie im Krankenhaus behandelt werden müssen, dann dauert so ein Prozess schon mal ein Jahr. Wenn Eltern zu uns kommen, die eine Trennung planen und es ihren Kindern leicht machen wollen, können die Beratungen nach einigen Wochen beendet sein.

Wie steht es insgesamt um das Ansehen von Patchworkfamilien in Deutschland?

Frahm:

Das Thema Patchworkfamilie ist im Jahr 2011 schon viel weniger moralisiert als noch vor zehn Jahren. Das Wort 'Scheidungskind' gibt es nicht mehr. Die Akzeptanz der Gesellschaft, dass Beziehungen mit Kindern scheitern können, ist gestiegen.