Der HSV wollte seinen Anhängern eine würdige Ruhestätte im Vereins-Design bieten, doch erst drei Verstorbene ließen sich dort begraben.

Hamburg. "In guten wie in schlechten Zeiten, bis dass der Tod uns scheidet." Für manchen Fußball-Fan kommt das Verhältnis zu seinem Verein einer Ehe gleich - inklusive aller Glücksmomente, Zweifel und Streitigkeiten. Und anders, als es der Trauspruch prophezeit, kann die Vereins-Liebe eines HSV-Anhängers auch dessen Ableben nicht beenden. Für die ewige Verbundenheit bis ins Jenseits wurde 2008 ein spezieller HSV-Friedhof eröffnet. Das Problem nur: Der Ruhestätte fehlt es an Interessenten. Nur drei Menschen wurden hier in den vergangenen drei Jahren begraben. Der große Reservierungs-Ansturm blieb aus.

Dabei ist alles perfekt: Der Friedhof ist optisch dem Stadion angepasst, die Treppen zwischen den drei Rängen sind die gleichen wie die im Stadion des Vereins, der Rasen stammt ebenfalls von dort und die schwarz-weiß-blauen Grabbepflanzungen zeigen die HSV-Raute. Doch der größte Pluspunkt der Themenruhestätte, die Teil des Hauptfriedhofs Altona ist, ist die Lage nur ein paar Meter von der Imtech-Arena entfernt. Momentan, da die guten Zeiten der Fan-Vereins-Ehe weit weg sind und die schlechten Zeiten in Form des letzten Tabellenplatzes ihren Ausdruck finden, könnte diese Nähe zur sieglosen Spielstätte aber auch ein Nachteil sein. Die berühmte Redewendung mit den Wörtern "Grab" und "umdrehen" drängt sich da geradezu auf.

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+++ Fantreue bis ins Grab +++

Da der Verein aber nicht schon seit drei Jahren am unteren Ende der Bundesliga agiert, kann dies nicht die Erklärung sein, warum die Interessenten seit der Eröffnung ausbleiben. "Wir haben ja nicht auf einen bestimmten Bedarf hin geplant", sagt Christian Reichert, 47, der als ehemaliges HSV-Vorstandsmitglied für die Belange der Mitglieder das Projekt Fan-Friedhof vorantrieb. Man habe die Idee nie an einer Zahl festgemacht. "Wir haben ja keinen Einfluss auf und erst recht kein Interesse am Ableben unserer Fans", sagt der Initiator. Den Mangel an Reservierungen erklärt er damit, dass die Generation derer, die derzeit sterben, bereits vor dem blau-weißen Angebot einen Bestattungsplan hatte. Die Fans unter 50 Jahren seien hingegen die, für die diese Form der Ruhestätte infrage kommt. "Zudem ist die Nachfrage nach klassischen Gräbern allgemein zurückgegangen und anonyme Bestattungen haben zugenommen", sagt Reichert.

Jan Appelt, Leiter des Friedhofs Altona, kommentiert die geringe Zahl an Interessenten durchaus kritischer: "Wir hatten schon gehofft, dass dieses Angebot besser angenommen wird." Zwar liege die Nachfrage nach den HSV-Gräbern bezogen auf den gesamten Friedhof im Durchschnitt, bei anderen Themenruhestätten oder vergleichbar großen Gräbern mit freier Gestaltung sei die Auslastung jedoch um einiges höher. "Der HSV-Friedhof ist einfach sehr speziell und spricht nur eine gewisse Klientel an", sagt Appelt.

Die Fan-Gräber gehören mit bis zu 2000 Euro für 25 Jahre zu den teuren Plätzen. Allgemein gibt es drei Klassen von Gräbern, die sich durch Größe, Abstand zum Nachbarn oder eben ein bestimmtes Thema voneinander unterscheiden. Die Preise reichen von 1350 Euro bis 2000 Euro. Das Geld geht wie bei jeder anderen Grabstätte an den Friedhof. "Dahinter steckt keinerlei kommerzieller Gedanke", sagt Christian Reichert vom HSV. Der Sportverein sei ja nicht Betreiber, sondern habe nur das Material zur Verfügung gestellt - und den Anstoß für das Projekt gegeben. "Zu uns kamen oft Menschen und fragten, ob sie die Asche ihrer Angehörigen über das Spielfeld verstreuen dürfen", sagt Reichert. Dies konnte der Verein aus rechtlichen Gründen nicht erlauben, er erkannte aber das Bedürfnis, das dahintersteckte. "Die Menschen sind immer mobiler, haben also keinen Bezug mehr zu einem bestimmten Ort, und gleichzeitig nimmt die Religiosität ab", sagt Reichert. Diese zwei Faktoren, die bisher darüber bestimmt haben, wer wo begraben wird, werden nun durch andere Entscheidungskriterien abgelöst. "Wir wollten einen Fleck schaffen, wo Menschen, die in einem engen Verhältnis zum HSV stehen, eine entsprechende letzte Ruhe finden", sagt Reichert. Zudem kämen hier Freunde, die man meist über gemeinsame Interessen kennenlernt, häufig vorbei - schließlich sind sie ohnehin auf dem Weg zum Heimspiel. Sodass der Tod sie eben nicht scheidet.

Und in gewisser Hinsicht würden die Fans durch ihren Verein ja auch unsterblich. "Natürlich nicht der Einzelne an sich, sondern alle im übertragenen Sinn", sagt Reichert. "Der Vorteil ist, dass es den Sportverein immer geben wird, womit die Spezies HSV-Fan nie ausstirbt." Nur eines wäre ein echtes Problem für das Projekt Fan-Friedhof: ein Umzug des Stadions. "Aber das ist eher unwahrscheinlich."

Und mit dem Blick auf die Ewigkeit Seite an Seite in seliger Verein-Fan-Eintracht erscheint auch die derzeit besonders schlechte Tabellenplatzierung nicht mehr ganz so schlimm. Denn was ist schon eine einzelne Saison im Verhältnis zur Ewigkeit.