Hamburg. Hamburgs Richter sehen die Überlastung der Vorführungsabteilung der U-Haftanstalt mit Sorge. "Es hat zwar noch nicht den Super-GAU gegeben", sagt Marc Tully, Vorsitzender des Hamburgischen Richtervereins. Noch ist aus diesem Grund kein Prozess geplatzt. Aber der Vorsitzende einer Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht sieht die Engpässe bei den Vorführungen von Gefangenen als "eine weitere Unwägbarkeit" bei der ohnehin für Richter schwierigen Prozessterminierung. "Das ist eine Beschwernis für die Vorsitzenden", sagt Tully.

Der Senat hat in seiner Antwort auf eine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Viviane Spethmann eingeräumt, dass die für den Gefangenentransport zuständige Vorführungsabteilung im Mai an 21 Tagen ausgebucht gewesen sei. Im April war es mit 13 und im Juni mit 14 Tagen nur wenig besser. Das heißt: Kurzfristige Prozessterminierungen, die zum Beispiel infolge neuer Erkenntnislagen in der Beweisaufnahme nötig werden können, sind in solchen Fällen nicht möglich. Nur für die langfristig vereinbarten Verhandlungstage können die Wachleute der Vorführungsabteilung die Häftlinge aus den Zellen in die Gerichtssäle und wieder zurückbringen.

Relativ häufig erhalten die Strafrichter daher ein Formschreiben der Vorführungsabteilung, das auf den Missstand aufmerksam macht. Die Abteilung sei "aufgrund der aktuellen Terminlage am ... ganztägig personell ausgelastet", heißt es in dem Papier, das dem Abendblatt vorliegt. "Alle bisher vorliegenden Termine werden besetzt. Wir weisen vorsorglich darauf hin, dass die Annahme weiterer Termine in diesem Zeitraum nicht möglich ist", heißt es weiter. Diese Schreiben wurden im ersten Halbjahr 2011 in elf Fällen innerhalb einer Woche, in 42 Fällen innerhalb von zwei Wochen und in 32 Fällen innerhalb eines Monats vor dem betreffenden Tag verschickt. In 15 Fällen ging sogar bis maximal zwei Monate vor dem Termin nichts mehr.

Die Justizbehörde nennt als Ursache, dass die Zahl der Vorführungen von Gefangenen zu Prozessen und Haftprüfungsterminen gestiegen sei. "Immer häufiger werden Haftprüfungen auch kurz vor der bereits angesetzten Hauptverhandlung beantragt", sagt Behördensprecher Tim Angerer. Außerdem dauerten Hauptverhandlungen wegen zusätzlicher notwendiger Ermittlungsarbeit bisweilen länger.

Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) hat das Problem in einer Runde mit den Gerichtspräsidenten angesprochen. Eine Arbeitsgruppe soll Vorschläge machen. Zudem sollen Bedienstete aus anderen Bereichen der U-Haftanstalt die Vorführungsbeamten unterstützen. Aus Sicht von Schiedek kommt auch "eine personelle Verstärkung der Untersuchungshaftanstalt" in Betracht.

Das Thema ist nicht neu: 2005, als die SPD noch in der Opposition war, sprach deren Abgeordneter Martin Schäfer in einer Kleinen Anfrage von "eklatanten Schwierigkeiten" in diesem Bereich. "Bei der Vorführungsabteilung kam es zu keinen eklatanten Schwierigkeiten. Solche sind auch nicht zu erwarten", lautete die barsche Antwort des CDU-geführten Senats. Die Zahl der "ausgebuchten" Tage pro Monat lag damals allerdings im einstelligen Bereich.