Für den Olympiasieger von Peking 2008 Jan Frodeno ist der Triathlon in Hamburg der emotionale Höhepunkt der Saison. Sonnabend geht es los.

Hamburg. Eigentlich, sagt Jan Frodeno, 29, wollte er sich in diesem Jahr etwas mehr zurücknehmen, was die Wahrnehmung öffentlicher Termine betrifft, um den Stress für sich zu reduzieren. In diesen Tagen aber steht der Triathlon-Olympiasieger von Peking 2008 mehr denn je Rede und Antwort. Es ist seine Art, danke zu sagen für den Hamburger Triathlon, der an diesem Wochenende in der City zum zehnten Mal geschwommen, Rad gefahren und gelaufen wird. "Hamburg ist die geilste Veranstaltung der Saison", sagt Frodeno. Die Strecke! Die Zuschauer! Die Atmosphäre! "Auf der ganzen Welt gibt es kein besseres Event." Frodeno springt am Sonnabend um 14.06 Uhr (ZDF live) zum achten Mal in seiner Laufbahn in die Binnenalster. Es ist der Start zum Eliterennen der Männer, der vierten von sieben Stationen der Weltserie.

Im vergangenen Jahr fehlte Frodeno auf der letzten Etappe in Budapest noch ein dritter oder vierter Platz, um als Punktbester der Serie am Ende zum ersten Mal Weltmeister zu werden. Er wurde 41. Vor dem abschließenden Zehn-Kilometer-Lauf hatte er an der Spitze des Feldes gelegen, dann folgte der Einbruch. "Das war eine bittere Erfahrung", sagt Frodeno, "ein Schock, der erste schwere Rückschlag in meiner Karriere." Schon in den Wochen vor Budapest fühlte er sich ausgebrannt, mental erschöpft. Es gab Anzeichen eines Burn-out-Syndroms. Vor allem beim Laufen, seiner schwächsten Disziplin, ging es nicht mehr richtig voran. "Manchmal fühlte es sich für mich so an, als wenn ich einen Drehzahlbegrenzer in meinem Körper hätte."

Wolfgang Thiel ist der Sportdirektor der Deutschen Triathlon Union (DTU). "Wir haben inzwischen acht Weltklasse-Triathleten in Deutschland, die alle das Potenzial haben, 2012 bei Olympia anzutreten. Jan ist aber nach wie vor unser bester Mann", sagt Thiel, "ein Siegertyp, der immer alles gibt. Das ist seine größte Qualität. Aber manchmal will er zu viel." So wie damals im September in Budapest, als er noch nicht wieder in Bestform war. "Jan wollte aber nicht Dritter oder Vierter werden, er wollte gewinnen", sagt Thiel. "Er wollte den ganz großen Triumph. Und dabei hat er überzogen. Er hat nicht das richtige Maß gefunden."

Auf der Suche danach irrte er in diesem Jahr erneut. Beim ersten Saisonrennen am 10. April in Sydney lief er als 45. ins Ziel. Im Winter-Trainingslager in Südafrika - in diesem Land wuchs der gebürtige Kölner auf - war er zuvor wieder einmal an seine Grenzen gegangen. Und wohl auch darüber hinaus. Danach jettete er über einen Kurzaufenthalt in Deutschland nach Australien. "Ich hatte mir und meinem Körper zu viel zugemutet und spürte auf einmal deutliche Anzeichen eines Übertrainings. Ich wollte in Sydney Budapest vergessen machen, allen und mir zeigen, was ich drauf habe." Das misslang. Stattdessen flog er mit der schmerzhaften Erkenntnis zurück, dass "selbst meine Kräfte endlich sind".

Frodeno hat aus diesen Erfahrungen erste Lehren gezogen. Er hörte mehr in seinen Körper hinein. Beim zweiten Saisonrennen am 4. Juni in Madrid kehrte er in die Weltelite zurück. Er wurde Sechster. "Es war das erste Mal, dass ich mich über einen sechsten Platz richtig gefreut habe. Ich saß in einem tiefen Loch und hatte die Leiter gefunden, die nach oben führt. Das war ein wunderschönes Gefühl." Er konnte es nicht allzu lange genießen. Ein Magen-Darm-Virus warf ihn vorübergehend wieder zurück. Leistungssportler sind anfällig für Krankheiten. Ein Leben am Limit kann die Abwehrkräfte schwächen. Seit zwei Wochen fühlt er sich wieder halbwegs fit.

Frodeno ist einer, der sich im Training, 40, 45 Stunden die Woche, quälen kann wie kaum jemand anders. Er hat Spaß daran, er braucht nicht den Wettkampf, um seine Reserven zu mobilisieren. "Das ist Fluch und Segen zugleich. Ich muss immer aufpassen, dass ich nicht überziehe", sagt er. Aber es sei genau diese Fähigkeit, an einem Tag alles zu geben, die ihn vor drei Jahren Olympiasieger werden ließ. Und deshalb hat er auch kein Problem damit, dass die deutsche Qualifikation für die nächsten Olympischen Spiele am 7. August in London auf der Olympiastrecke für 2012 ausgetragen wird. Nicht das Ergebnis einer Saison zählt, sondern das eines Tages. "Wir wollen Typen, die es schaffen, am Tag X in Topform zu sein", begründet Sportdirektor Thiel den radikalen Ausscheidungsmodus.

Sein ganzer Leistungsaufbau sei daher auf den Termin in drei Wochen in London ausgerichtet, sagt Frodeno. Wie seine Teamkollegen aus der Nationalmannschaft wird er in Hamburg aus dem Training heraus versuchen, eine gute Platzierung zu erreichen. "Das ist unser Heimrennen, selbstverständlich treten wir hier an. Ich freue mich auch darauf und werde alles geben, hundert Prozent, versprochen." Jan Frodeno kann ohnehin nicht anders.