Der Verein Artisti del Belpaese will original italienische Esskultur in Hamburg aufspüren. Im Torcello am Mittelweg hat er sie gefunden.

Hamburg. Fast jeder hat "seinen" Italiener um die Ecke. Weil's dort so gemütlich oder der Wein so lieblich ist. Aber wie echt ist das italienische Flair, sind die aufgetischten Speisen? Ist Italien wirklich drin, wo Ristorante oder Pizzeria draufsteht?

Genau das herauszufinden haben sich die Artisti del Belpaese zum Ziel gesetzt. Vor rund einem Jahr gründeten die beiden Rechtsanwältinnen Julika Repplinger und Sofia Melik Aslanian zusammen mit den Gastronomen Remigio Poletto von der Poletto Winebar und Claudio Spinsanti vom Portonovo den Verein. Die "Künstler des schönen Landes" wollen die italienische Lebensart und Kultur in der Stadt fördern. Und da man mit dem "schönen Land" eben zuallererst die gute Küche verbindet, gilt es die echten italienischen Restaurants zu finden. Denn nur der Name Ristorante sei noch lange kein Garant für die Qualität der Küche.

Rund 80 private Mitglieder hat der Verein mittlerweile, darunter viele Italiener, aber auch Italien-Liebhaber. Bei den regelmäßig stattfindenden Testessen geht es zwar in erster Linie darum, Atmosphäre, Speisen und Personal auf Authentizität hin zu prüfen, aber es soll in keinem Fall in eine verbissene Restaurantkritik ausarten: "Wir sind kein Feinschmecker-Magazin oder Gault Millaut - bei uns soll auch der Spaß im Vordergrund stehen. Wenn uns ein Lokal nicht gefällt, zerreißen wir es nicht. Wir geben positive Empfehlungen", sagt Sofia Melik Aslanian.

Bei den Treffen, an denen immer zehn unterschiedliche Mitglieder und der Vereinsvorstand teilnehmen, tauscht man sich auch über besondere Urlaubsziele oder Tipps in Hamburg aus. Sofia Melik Aslanian: "Was uns alle verbindet, ist die Liebe zu Italien: Das Lebensgefühl, das jeder Urlauber verspürt, sobald er die Landesgrenze überschreitet und den ersten Espresso trinkt, ist einfach ganz besonders."

15 Hamburger Lokale haben es bislang geschafft, in die begehrte Liste aufgenommen zu werden, darunter auch das Ristorante Torcello am Mittelweg 19. Wie auf Bestellung steht Wirt Antonio Ieva am Eingang im Souterrain und grüßt die Gäste mit einem lauten "Buongiorno"; im Restaurant ist die mittägliche Hektik gerade vorbei. Siesta - und tatsächlich stellt sich sofort ein mediterranes Gefühl ein, was vielleicht an den warmen Farben liegt : gelb gemalte Wände, runde nussbraune Holztische, weinrote Servietten, Marmorboden. Und am Personal, das überwiegend italienisch ist. "Das ist wichtig", sagt Antonio und schenkt Pellegrino nach. "Denn die meisten Gäste wollen nicht nur essen, sondern auch eine authentische Geschichte spüren."

Neben der typischen Atmosphäre und der außergewöhnlichen Gastfreundlichkeit gibt es hier noch eine richtige Mamma, die in der Küche steht - und das hat in Hamburg Seltenheitswert. Antonietta, 74, ist die Mutter von Franco, der zusammen mit Antonio das Restaurant seit über 25 Jahren leitet. "Sie ist die gute Seele des Restaurants", sagt Antonio. "Und sie kennt die alten Rezepte, steht für unsere kulinarische Tradition." Die ist in Apulien verankert. Von dort stammen Antonio und Franco, sie kennen sich seit Kindertagen. "Apuliens Küche ist eine arme, Pasta und Gemüse bestimmen die Gerichte."

Antonietta nickt und hört zu, sie spricht wenig Deutsch. Seit 1989 steht sie in der winzigen Küche. Ganz einfach ist diese ausgestattet, das kennt Antonietta aus ihrer Heimat. Dort lernte sie schon als kleines Mädchen von der Mutter kochen - gefüllte Auberginen, Lasagne, Bolognese. Und das sind auch heute noch die Speisen, die im Restaurant in Harvestehude auf der handgeschriebenen Karte stehen - laut Antonio ebenfalls ein Erkennungszeichen für einen echten Italiener. "Wir sind immer noch so chaotisch wie am Anfang", sagt er lächelnd und denkt dabei an seinen ersten Einkauf fürs Torcello, "dafür musste ich zunächst einen alten Plattenspieler verkaufen".

Jeden Tag werde improvisiert. Und organisiert. Um die ganz speziellen kleinen Oliven zu einem Fischgericht zu bekommen, telefoniert er mit Bekannten und anderen Wirten, um die geheime Quelle herauszubekommen - am Detail erkenne man die Originalität eines Lokals. Ansonsten sei das Kochen "kein großes Geheimnis" - frische Zutaten, klassische Kräuter wie Basilikum und Rosmarin, ein paar berühmte Rezepte wie "Lamm à la Mamma" oder der typische Auberginenauflauf - basta!

Antonietta ist derweil in ihre kleine Cucina verschwunden, hat dort eine "ganz einfache" Tomatensauce aus frischen Tomaten, Zwiebeln und Basilikum gezaubert und aus einem Pastateig drei verschiedene Nudelsorten geformt - Orecchiette (kleine Ohren), Cavtde (kleine Gruben) und Fettucine. Das dampfende Gericht duftet so gut, dass die Gäste probieren müssen. Sie müssen - in der Tat: Denn stimmt ein Klischee, dann, dass die Mamma tödlich beleidigt ist, wenn der Teller nicht leer gegessen wird.

Fragt man Sofia Melik Aslanian nach Kriterien, nach denen sie ein echtes italienisches Restaurant bewertet, antwortet sie, dass es da eine Menge gebe. "Aber entscheidend ist das Gefühl, ein bisschen in Italien zu sein."

Justus Frantz hat "seinen" Italiener um die Ecke gefunden. Seit Kurzem hat der Dirigent ein Büro am Mittelweg, bestellt fast täglich bei Antonio vom Garten aus. Der Feinschmecker hat großes Glück, dass es das Torcello ist.

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