IT-Experten und Marketingfachleute fehlen bei Otto. Der Versandhändler startet neues Portal quelle.de und geht nach Brasilien.

Hamburg. Hans-Otto Schrader freut sich über jede Bewerbung, die auf seinem Schreibtisch landet. "Wir haben in Hamburg zurzeit rund 250 offene Stellen, die wir nicht besetzen können", sagt der Chef der Hamburger Otto Group. "Wir suchen händeringend Experten für E-Commerce, IT, SAP, aber auch Controller und Führungskräfte." Insgesamt will das Unternehmen in diesem Jahr 630 - neue und fluktuationsbedingte - Positionen besetzen. Während Schrader gerne einstellen würde, steht die Einzelgesellschaft Otto in Hamburg vor einer großen Umstrukturierung. 2000 bis 2500 der 9500 Hamburger Mitarbeiter sind betroffen. "Wir wollen schneller und noch besser im Onlinegschäft werden", sagte Otto-Sprecher Thomas Voigt dem Abendblatt. Dazu sollen Abteilungen neu zugeschnitten und Mitarbeiter versetzt werden. "Betriebsbedingte Kündigungen wird es nicht geben", so Voigt.

Schrader steuert von seiner Firmenzentrale in Bramfeld aus den weltgrößten Versandhändler mit 49 721 Mitarbeitern und 11,4 Milliarden Euro Umsatz. Davon entfallen mehr als 6,5 Milliarden Euro auf das Deutschland-Geschäft. Der Jahresüberschuss sank zwar, aber nur, weil im Vorjahr Verkaufserlöse in die Bilanz eingeflossen sind. Im vergangenen Geschäftsjahr, das am 28. Februar endete, stieg in Deutschland die Zahl der Otto-Beschäftigten um 2300 auf rund 24 900, während weltweit per saldo 1700 Arbeitsplätze hinzukamen. Neue Jobs soll auch das Internetportal quelle.de bringen. Otto hat sich die Namensrechte nach der Insolvenz des Wettbewerbers Quelle gesichert. "Wir starten noch in diesem Sommer", so Schrader. Derzeit arbeitet das Unternehmen an der Einrichtung der Onlineplattform, auf der künftig Haushaltsgeräte sowie Möbel und Wohnaccessoires angeboten werden. "Anders als bei vielen Internetanbietern wird es bei quelle.de für die Kunden auch Möglichkeiten der persönlichen Beratung geben."

Ein weiterer großer Schritt steht in der internationalen Expansion an. In diesem Jahr wird sich die Otto Group erstmals in Brasilien engagieren. Im Herbst startet der Onlinehandel mit Bekleidung und Lifestyle-Produkten. Die Verhandlungen mit einem etablierten Versandhändler in dem südamerikanischen Staat, der laut Schrader bis 2015 zur fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt heranwachsen wird, befänden sich kurz vor dem Abschluss. Otto peilt in Brasilien eine ähnlich erfolgreiche Entwicklung wie in Russland an. Dort könnten die Hamburger innerhalb von nur fünf Jahren Marktpräsenz ihren Umsatz auf 500 Millionen Dollar steigern. Schleppend verlief dagegen das Geschäft in Südkorea. Aus diesem Land hat sich das Unternehmen nun verabschiedet. Auch in Frankreich stocken die Verkäufe, die dortige Tochter muss restrukturiert werden. Nach schwierigen Jahren vermeldete Schrader aber erste Erfolge in Großbritannien. Nach einer Sanierung samt einer Halbierung der Stellen auf 1000 sei Otto nun auf einem guten Weg auf der Insel.

Trotz der Rückschläge in einigen Regionen konnten im vergangenen Geschäftsjahr alle drei Geschäftsfelder des Konzerns - Handel, Logistik mit Hermes und die Finanzdienstleistungen der Tochter EOS - beim Umsatz im zweistelligen Prozentbereich zulegen. Beim Wachstum hilft der Otto Group vor allem die starke Position im Onlinehandel. Die Hamburger sind in diesem Bereich weltweit die Nummer zwei, hinter Amazon und deutschlandweit die Nummer eins. 2010/11 stiegen die Otto-Erlöse aus dem Internetgeschäft weltweit um 25 Prozent auf knapp fünf Milliarden Euro. In Deutschland betrug das Onlinewachstum der Hamburger 27 Prozent, gegenüber 18 Prozent der gesamten Branche. "Damit konnten wir unseren Marktanteil weiter steigern", sagte Schrader.

Einzelne Firmen des Konzerns verkaufen schon 70 Prozent aller Waren über Onlinekanäle. "Dennoch wird es weiterhin Kataloge geben", betonte der Otto-Chef. Der Anteil der Bestellungen über diesen Vertriebsweg von Otto gingen im vergangenen Geschäftsjahr zwar von 44,4 Prozent auf 37,5 Prozent zurück, während der Internetverkauf von 43 auf 47,8 Prozent anzog. "Viele Verbraucher schauen erst in den Katalog, um dann über das Internet zu bestellen. Deshalb wird es bei uns so lange Kataloge geben, wie sie von den Kunden nachgefragt werden", so Schrader.

Für dieses Jahr rechnet der Manager auch wegen der Vorgänge rund um den Euro bei den Kennzahlen nur mit Steigerungen im einstelligen Prozentbereich. Der erfolgsverwöhnte Otto-Chef gibt sich bescheiden.