Karl-Peter Naumann, 60, Vorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn

Hamburger Abendblatt:

1. Jeder dritte Fernzug der Bahn fährt laut Stiftung Warentest unpünktlich. Wie sehr überrascht Sie dieses Ergebnis?

Karl-Peter Naumann:

Überhaupt nicht. Das deckt sich mit meinen persönlichen Erlebnissen. Vor allem auf langen Strecken kommt es bei der Bahn häufig zu Verspätungen.

2. Welche Gründe gibt es aus Ihrer Sicht für die zahlreichen Verspätungen und Zugausfälle?

Naumann:

Vor allem im Intercity-Verkehr sind viele alte, störanfällige Fahrzeuge im Einsatz, die häufig ausfallen. Hinzu kommt die zu knapp bemessene Infrastruktur, in die die Bahn in den vergangenen Jahren nicht genügend investiert hat. An vielen Stellen fehlt es an Gleisen, auf denen die schnellen ICE-Züge die langsamer fahrenden Güterzüge überholen können.

3. Hamburg hat bei dem aktuellen Test mit am schlechtesten abgeschnitten. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Naumann:

Zum einen befindet sich Hamburg natürlich am Ende viele Fernstrecken, daher addieren sich die Verspätungen. Zudem erweist sich der Knoten Harburg als ein Nadelöhr, an dem es immer wieder zu Engpässen kommt. Generell haben wir auf der Strecke Hamburg-Hannover zu geringe Kapazitäten. Hier müsste man beispielsweise über einen mehrgleisigen Ausbau der Strecke nachdenken.

4. Sind auch die Sparmaßnahmen der Bahn eine Ursache für die Verspätungen und Ausfälle?

Naumann:

Die Bahn hat an der falschen Stelle gespart, etwa bei der Wartung der Züge. Neue Züge sind zwar bestellt, doch es fehlt mindestens eine Milliarde Euro, die in die Infrastruktur und in neue Triebwagen fließen müsste.

5. Was muss noch passieren, damit die Missstände abgestellt werden können?

Naumann:

Die Bahn muss sich mehr um ihr Brot- und Buttergeschäft kümmern und dafür sorgen, dass alle Fahrzeuge reibungslos funktionieren. Dafür braucht das Unternehmen aber auch die Unterstützung der Politik. Der Bund als Eigentümer hat sich in der Vergangenheit vor allem auf teure Prestigeprojekte konzentriert, auch weil diese in der Öffentlichkeit besonders stark wahrgenommen werden. Die Einweihung eines neuen Bahnhofs lässt sich natürlich besser verkaufen als die Erneuerung einer Weiche oder einer Gleisstrecke. Das muss sich in Zukunft auf jeden Fall ändern.