Die Gema fordert Geld von Kindergärten für kopierte Liedtexte und Auftritte. Beim Paritätischen Wohlfahrtsverband stößt das auf Unverständnis.

Hamburg. Bevor die Kindergärtnerin mit ihren Schützlingen ein Lied anstimmt, soll sie künftig Büroarbeit einschieben. Denn die Gema (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) will im Auftrag der Verwertungsgesellschaft (VG) Musikedition auch bei Kitas Geld eintreiben, wenn sie Lieder kopieren oder öffentlich auftreten. "Wir sind nur Dienstleister der VG Musikedition", sagt Gema-Sprecherin Bettina Müller, "wir machen das in deren Auftrag."

"Wir haben auch so ein Schreiben von der Gema bekommen", sagt Nicole Liedtke, stellvertretende Leiterin der Kita Seestraße in Groß Flottbek. Seither notierten alle Kollegen vorsorglich, welche Lieder sie für die Kita-Kinder kopieren. "Wir finden das total blöd, aber wir werden es bezahlen", sagt Liedtke. Noch sei nicht klar, wo das Geld für die Gebühren herkommen soll. "Wir müssen überlegen, ob man das auf die Eltern umlegt", sagt die Erzieherin. Weniger zu singen sei jedenfalls kein Weg. "In Musik steckt so viel drin. Das ist ein ganz wichtiger Bildungsbereich, wichtig für Sprache und Taktgefühl." Der Zugang dürfe eigentlich nicht durch zusätzliche Kosten versperrt werden. Auch beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Hamburg, der 280 Kitas vertritt, trifft die Forderung der VG Musikedition auf wenig Verständnis. "Wir haben es erst nicht glauben wollen, aber im Moment werden alle Kitas bundesweit aufgefordert zu bezahlen", sagt Martin Peters, Referent für Kindertagesbetreuung beim Wohlfahrtsverband. "Wir sind relativ spät ins Visier der Gema geraten. Schulen unterliegen diesen Forderungen schon länger, haben aber einen Rahmenvertrag."

Die Schulbehörde hat bereits 1990 den Rahmenvertrag unterzeichnet, den die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und die Gema ausgehandelt hatten. Demnach dürfen Schulen urheberrechtlich geschützte Musikwerke vervielfältigen und wiedergeben, ohne dafür zu bezahlen.

So einen Rahmenvertrag würde die Sozialbehörde gern auch für die Kitas abschließen, bestätigt Julia Seifert, Sprecherin der Sozialbehörde: "Wir sind in Gesprächen mit den anderen Ländern, wo genau die gleichen Fälle auftauchen. Da tauscht man sich aus, welche Regelungen es in den anderen Ländern gibt." Was eine Rahmenvereinbarung betreffe, wie es sie für Schulen gibt, sei man aber noch relativ am Anfang, sagt Seifert.

Martin Peters vom Paritätischen hält die Forderung der Gema zwar im Prinzip für berechtigt, "aber die Höhe finde ich unangemessen". Die Kitas sind aufgefordert, Lizenzverträge abzuschließen - für bis zu 500 Kopien werden 56 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer fällig, bis 1000 Kopien sind es 112 Euro, bis 1500 Kopien 168 Euro.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband habe seinen Einrichtungen deshalb empfohlen, vorerst "gar nicht zu reagieren", so Peters. Die VG Musikedition stellt ihre Forderung auf ihrer Homepage euphemistisch dar: "Die VG Musikedition kommt damit dem Wunsch vieler Kindergärten nach, eine legale und den Anforderungen der Praxis entsprechende Ausnahmeregelung vom gesetzlich verankerten absoluten Fotokopierverbot zu ermöglichen."

Der Wunsch nach noch mehr Bürokratie soll also von den Betroffenen selbst kommen? Martin Peters findet, dass die Kita-Erzieher auch so schon genug zu tun haben: "Es ist absurd, was man den Mitarbeitern noch zumutet."

"Das ist doch idiotisch. Es ist diese typisch deutsche Überbürokratisierung", kritisiert auch Edith Aufdembrinke, Vorsitzende des Vereins Dago Kinderlobby, die die Gebühren ablehnt: "Singen ist so wichtig." Für Aufdembrinke steht fest: "Alles, was Kinder nicht verstehen, ist auch sozial nicht verträglich."