Ein Kommentar von Jens Meyer-Odewald

Es geht um Millionenschulden, gnadenlose Intrigen, Mobbing, sexuelle Nötigung und Anschläge auf Führungskräfte. Ein Skandal ist schmutziger als der andere, und noch immer ist kein Ende in Sicht. Die meisten Fernsehkrimis haben weniger Substanz als die aktuellen Vorfälle in der Handwerkskammer.

In der Tat wähnt man sich im falschen Film: Denn Tatort ist nicht irgendeine Rotlichtspelunke auf dem Kiez, sondern eine der traditionsreichsten Adressen der Hansestadt. Unfassbar, aber wahr: Ausgerechnet im ehrwürdigen Gewerbehaus am Holstenwall, der Bastion stolzer Zünfte, werden Anstand und Moral augenscheinlich mit Füßen getreten. Egal, wer lügt, wer wen sexuell belästigt oder wer nun Spaxschrauben in Autoreifen gebohrt hat: Dem Nimbus einer Institution und damit des hanseatischen Handwerks wird irreparabler Schaden zugefügt. Die kostspieligsten und pfiffigsten Kampagnen können kaum helfen, diesen Imageschaden zulasten der tatsächlich ehrbaren Handwerksbetriebe zu reparieren.

Zwar hat der ehrenamtliche Kammerpräsident Josef Katzer die Führungsetage im Griff, doch konnte er zuletzt nicht dem Vorbild der Reinigungszunft folgen: erst vor der eigenen Tür zu kehren und dann von Grund auf für Sauberkeit zu sorgen. Passiert dies nicht rasch, hat der neue Wirtschaftssenator Frank Horch seinen ersten Härtetest zu bestehen. Fest steht: Im Gegensatz zum Film kann es kein Happy End geben.