Die Medizintechnik bringt Philips Deutschland Milliardenumsätze. Trotzdem fallen in der Röntgenfabrik erneut Arbeitsplätze weg.

Hamburg. Schon wieder baut der niederländische Elektronikkonzern Philips Stellen in Hamburg ab. Und wieder ist die Medizintechnik betroffen: In der Röntgenfabrik in Fuhlsbüttel sollen 46 Jobs wegfallen - obwohl sich Philips Deutschland mit den medizinischen Geräten gute Chancen auf Wachstum ausrechnet und Milliardenumsätze macht. Bereits im vergangenen Jahr waren an der Röntgenstraße 150 Arbeitsplätze gestrichen worden.

Der Grund für den erneuten Stellenabbau: Die Massenproduktion einfacher Röntgengeräte wird verlagert. "Philips richtet seine weltweite Entwicklungs- und Fertigungsstrategie neu aus", sagte Philips-Deutschland-Chef Andreas Wente dem Abendblatt. "Hamburg wird dabei zum globalen Kompetenzzentrum für High-End-Röntgensysteme." Konventionelle Systeme für das Einstiegssegment würden hingegen zukünftig "aus Kostengründen" in Brasilien, Indien und China gefertigt. Der Stellenabbau solle "einvernehmlich und sozialverträglich" geregelt werden, die Gespräche mit dem Betriebsrat laufen.

Voraussichtlich müssen sich die Beschäftigten an der Röntgenstraße sogar auf weitere Einschnitte gefasst machen. Weil vertriebsunterstützende Aktivitäten für die Medizintechnik zukünftig im holländischen Eindhoven gebündelt wird, sollen bis Ende des Jahres bundesweit zusätzliche 56 Stellen abgebaut werden. "Im Medizinmarkt besteht in Deutschland ein starker Kostendruck", sagte Wente. "Wir müssen unsere Vertriebsabläufe effizienter gestalten." Welche deutschen Standorte davon betroffen sind, ist zwar noch nicht klar - Hamburg wird nach Unternehmensangaben aber wohl darunter sein.

Dabei ist die Medizintechnik mit einem Umsatzanteil von 42 Prozent das größte Geschäftsfeld von Philips Deutschland. Selbst im Krisenjahr 2009 war der Bereich als Einzige der drei Sparten gewachsen - auf 1,4 Milliarden Euro. Auch im ersten Quartal 2010 hatte sich Philips Deutschland nach Unternehmensangaben gut entwickelt und zum Umsatzplus von zwölf Prozent im Gesamtkonzern beigetragen. Dieser erreichte von Januar bis März einen Nettogewinn von 200 Millionen Euro gegenüber einem Verlust von 59 Millionen Euro im ersten Quartal 2009 - eine Folge des Aufschwungs wie auch des von der Amsterdamer Konzernzentrale Anfang 2009 verkündeten Sparkurses.

Auch für die deutsche Tochter sieht Wente Wachstumschancen im Bereich Medizintechnik: "Wir profitieren von der Konzentration auf globale Megatrends wie eine bezahlbare, qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung." Gerade in Deutschland, wo weltweit der dritthöchste Anteil an über 60-Jährigen lebe, werde die Zahl der chronisch Kranken in den kommenden Jahren steigen. Darauf bereitet sich Philips mit Investitionen in die Telemedizin vor: In Berlin und Brandenburg läuft eine Studie mit 1000 herzkranken Patienten, die über ihren Fernseher täglich Vitaldaten wie Blutdruck und Gewicht an ihren Arzt senden.

Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und verspricht geringere Kosten für das Gesundheitssystem, weil weniger Arztbesuche nötig werden. "An einer effizienteren Versorgung, die den Patienten besser gerecht wird, führt kein Weg vorbei", sagt Wente. Schließlich steigere die demografische Entwicklung den Bedarf an Medizinern - und schon heute herrscht in Deutschland in vielen ländlichen Regionen Ärztemangel.

Die globale Ausrichtung auf Gesundheit und Wohlbefinden soll auch in den Sparten Licht und Konsumelektronik für Wachstum sorgen. Bereits heute mache Philips zehn Prozent des Konzernumsatzes mit Leuchtdioden (LED), die mit ihrem sanften, energiesparenden Licht sowohl die traditionelle Glühbirne als auch Halogenstrahler ablösen sollen. "LED ist für uns ein Technologietreiber", sagt Wente. "Ich rechne damit, dass im Jahr 2015 im Lichtmarkt zur Hälfte LED verkauft wird." Und trotzdem sollen auch hier Stellen abgebaut werden: Vor Pfingsten hatte Philips bekannt gegeben, dass 150 der 440 Arbeitsplätze im sächsischen Werk für Autolampen nach Polen verlagert werden. In eine kostengünstigere Fabrik.