Frank Horch im ersten Abendblatt-Interview als Wirtschaftssenator über Elbvertiefung, Atompolitik und Schlaglöcher. Er freut sich auf die Aufgaben.

Hamburg. Sein neues Büro in der Wirtschaftsbehörde bezieht er heute. Gestern kam er zum Abendblatt, Hamburgs neuer Senator für Wirtschaft, Verkehr und Innovation. Die Themen, die Frank Horch in seiner neuen Funktion verantwortet, sind mannigfach. Er wird sich nicht nur um den Hafen und die Industrie kümmern, sondern auch um Schlaglöcher und Staus. Respekt habe er vor der neuen Aufgabe, sagt der 63-Jährige. Aber es überwiege ganz klar die Freude, in "dieser wunderschönen Stadt, mitgestalten zu können".

Hamburger Abendblatt: Herr Horch, Ihr erster Tag als Wirtschaftssenator steht an. Welche persönlichen Dinge werden in Ihrem neuen Büro Platz finden?

Frank Horch:

Ich werde einige private Bilder und Fotos mitnehmen und das Modell eines Fischkutters, das mich schon seit vielen Jahren begleitet und meine enge Verbindung zum Maritimen symbolisiert.

Lassen Sie uns einen Blick in Ihren Terminkalender werfen.

Horch:

Er ist jetzt schon sehr voll. Am Freitag ist die Eröffnung des Doms, dann bin ich am Sonnabend bei der 725-Jahr-Feier in Brunsbüttel. Intern werde ich mich in den kommenden Tagen mit den Staatsräten in der Wirtschaftsbehörde und anderen Führungskräften intensiv austauschen. Ich möchte ihnen meine Vorstellungen erläutern, die ich für unsere Zusammenarbeit habe.

Die Hafenbehörde HPA und Unternehmen haben jüngst kräftig über die Zukunft des Hafens gestritten. Werden Sie sich dort als Mittler einschalten?

Horch:

Ich werde zunächst Einzelgespräche mit den Betroffenen suchen. Dabei werde ich unmissverständlich klarmachen, dass ich den Umgang miteinander in den vergangenen Monaten nicht gut fand. Wir müssen alle im Interesse der Hamburger Wirtschaft konstruktiv zusammenarbeiten. Jeder hat jetzt die Chance, sich kooperativ zu zeigen. Um das Miteinander zu fördern, werde ich einen maritimen Gipfel einberufen, zu dem Vertreter der HPA, des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg, der Handelskammer, des Industrieverbands und Vertreter wichtiger Unternehmen eingeladen werden.

In der Containerschifffahrt sind die Größen der Frachter rasant gewachsen. Wann stößt der Hamburger Hafen in diesem Segment an seine Grenzen?

Horch:

Die Schiffsgrößen sind aus meiner Sicht nicht das zentrale Problem. Der Tiefgang der Frachter nimmt trotz wachsender Längen nur geringfügig zu. Außerdem gibt es bei den Schiffsgrößen auch technologische Grenzen. Entscheidend ist für mich, dass Hamburg von den extrem wichtigen Asienverkehren beim Containertransport nicht abgeschnitten wird, dass nicht ein immer größerer Teil der Container über Zubringerschiffe aus anderen europäischen Häfen hierherkommt. Alle gängigen Schiffsgrößen müssen auch künftig in Hamburg abgefertigt werden können. Laut früheren Studien kann der Hafen auf den bereits vorhandenen Terminals und mit dem vorhandenen Platz jährlich bis zu 25 Millionen Containereinheiten (TEU) umschlagen, 2010 waren es rund acht Millionen TEU. Wir werden gemeinsam mit den Betreibern der Terminals die Kapazitäten noch einmal genau analysieren.

Wäre es nicht auch an der Zeit, über Kooperationen mit dem Tiefwasserhafen Wilhelmshaven nachzudenken?

Horch:

Ich werde mit der niedersächsischen Landesregierung in der kommenden Woche unter anderem darüber sprechen, wo wir in dieser Frage stehen und ob es sinnvolle Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit gibt. Ob das, wie es immer wieder einmal aufgeworfen wurde, auch in eine Beteiligung Hamburgs am Containerhafen Wilhelmshaven münden könnte, lässt sich heute überhaupt nicht sagen. Auch angesichts unserer prekären Finanzlage.

Die Vertiefung der Elbe hat noch immer nicht begonnen. Gibt es einen Plan für den Fall weiterer Verzögerungen?

Horch:

Mein Ziel ist es, die Umweltverbände in den Planungsprozess mit einzubeziehen, um Klagen gegen eine Planfeststellung zu vermeiden. Unter Umständen müssen wir weitere Ausgleichsmaßnahmen über die bisherigen hinaus diskutieren. Wir wollen, im Zuge der Elbvertiefung und -verbreiterung, bis zum Jahr 2013 für die Reedereien und Terminalbetreiber kontinuierliche Verbesserungen erreichen.

Sie gelten als Vertreter der Old Economy. Wie sehr liegt Ihnen der junge Wirtschaftsbereich der Computerspiele und Internetbranche am Herzen?

Horch:

Dieser Wirtschaftsbereich ist sehr wichtig für Hamburg. Wir haben aber entschieden, dass sich darum künftig die Senatskanzlei kümmern wird. Da ich auch für Verkehr zuständig sein werde, bin ich ausreichend beschäftigt. Wir werden der Senatskanzlei aber im Bereich Medien und Internet selbstverständlich unterstützend zur Seite stehen.

Sie sind als Senator auch für Innovationen zuständig. Was heißt das konkret?

Horch:

Dabei geht es primär um die bereits angesprochene Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft. Wir haben unter anderem mit dem Forschungszentrum Desy oder der Universitätsklinik Eppendorf sehr renommierte wissenschaftliche Einrichtungen, die noch besser mit Unternehmen zusammenarbeiten könnten. Zudem blicke ich neidisch auf die vielen Technologieparks in Städten wie Aachen oder Freiburg. In Hamburg haben wir nur ein einziges Technologiezentrum in Harburg. Das muss sich ändern.

Wie kommen Sie täglich von Ihrem Wohnort im niedersächsischen Buxtehude in die Behörde?

Horch:

Aus Buxtehude bin ich bisher mit dem Auto über die B73 und die A7 gefahren. Zurzeit ist es eine schwierige Aufgabe, Hamburg zu erreichen. Die normale Anfahrtszeit beträgt gut eine Stunde, aber wenn ich eine wichtige Veranstaltung hatte, bin ich stets zwei Stunden vorher losgefahren, um rechtzeitig zu kommen. Ich habe jetzt eine Wohnung in Hamburg, um näher dran sein zu können. Das löst das Problem nur für mich, das eigentliche bleibt: Die Verkehrssituation ist unbefriedigend.

Was halten Sie vom Zustand der Hamburger Straßen, Stichwort Schlaglöcher?

Horch:

Das ist eine ernste Situation. Wir müssten wohl rund 100 Millionen Euro ausgeben, nur um Schlaglöcher zu beseitigen und Straßen vernünftig instand zu setzen. So viel Geld steht dafür aber nicht zur Verfügung. Gleichzeitig wird es nicht besser, wenn man nichts tut.

Was bleibt denn als Alternative?

Horch:

Möglicherweise gibt es modernere Verfahren, die Straßen schnell zu auszubessern, ohne sie tage- oder wochenlang sperren zu müssen. Darüber wollen wir uns Gedanken machen.

Welche Schwerpunkte planen Sie als Verkehrssenator?

Horch:

Wir brauchen eine Erhebung, wie sich der öffentliche Nahverkehr entwickeln soll. Hohe Priorität hat die U4 in die HafenCity und die Frage, ob sie nach Süden verlängert werden soll. Wahrscheinlich rechnet sich das nur, wenn in Wilhelmsburg 40 000 neue Wohnungen entstehen. Auch die S4 zur Entlastung des Hauptbahnhofs und zur Anbindung Ahrensburgs ist wichtig. Beim innerstädtischen Verkehr sollten wir nach der Absage an die Stadtbahn auf den konsequenten Ausbau der Buslinien, mehr XXL-Busse und alternative Antriebe wie Wasserstoff- und Hybridbusse setzen.

Sie galten bislang als Anhänger der Atomkraft. Hat sich das mit dem Reaktorunglück in Fukushima geändert?

Horch:

Ich war bislang der Meinung, dass die Atomkraft ein sinnvoller Beitrag zu einem ökonomischen Energiemix sein kann. Die Reaktorkatastrophe in Japan stellt viele bisherige Auffassungen infrage - auch die Überzeugung, dass die Kraftwerke in Deutschland sicher vor einem solchen Ereignis sind.

Bürgermeister Olaf Scholz will, dass die Verlängerung der Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke zurückgenommen wird. Ist das auch Ihr Ziel?

Horch:

Es könnte sein, dass wir am Schluss zu einer neuen, alten Lösung finden müssen. Das könnte der seinerzeit von der rot-grünen Bundesregierung beschlossene Ausstiegsplan sein. Deutschland wird aber als hoch industrialisiertes Land keine Alleingänge machen können. Die künftige Rolle der Atomkraft muss zumindest in der EU noch einmal intensiv diskutiert werden.

Werden die Atommeiler in Brunsbüttel und Krümmel je wieder ans Netz gehen?

Horch:

Ich denke, es wird nicht gelingen, Krümmel wieder ans Netz zu bringen. Auch für Brunsbüttel sehe ich unter den aktuellen Umständen keine Chance. Diese Entscheidungen werden aber nicht in Hamburg getroffen. Über diese Fragen werden wir mit der Landesregierung von Schleswig-Holstein sprechen. Wir müssen uns aber darüber klar sein: Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist ein finanziell und technologisch enorm anspruchsvoller Weg. Man muss dazu nur den Bedarf an neuen Hochspannungsleitungen für Offshore-Windparks sehen. Brückentechnologien jenseits der Atomkraft werden jetzt noch wichtiger, das könnten zum Beispiel kleinere Gaskraftwerke, Blockkraftwerke oder Biogasanlagen sein. Aber auch das hochmoderne Kohlekraftwerk Moorburg erscheint jetzt in einem ganz neuen Licht.