“Togo-Frank“ ist zurück in Hamburg: Weil er bei der Bürgermeisterwahl im Urlaub war, wurde der Abgeordnete der SPD bundesweit bekannt.

Harburg/Togo. Von drohenden Nebenwirkungen lässt sich dieser Mann nicht so schnell abschrecken. Die Prophylaxe gegen Malaria, die Frank Wiesner schluckt, kann Vergesslichkeit, Halluzinationen und sogar Albträume auslösen. Doch der Politiker schläft ruhig in seinem Afrika-Urlaub. Nur ständig mehr als 30 Grad Hitze, das stört ihn etwas. Einmal aber schreckt Wiesner heftiger auf als sonst. In der Nacht, als ein Flugzeug ohne ihn zurück in die Heimat fliegt.

Diesem Risiko hatte er nämlich nicht vorgebeugt.

Kurz darauf wird Wiesner als "Togo-Frank" bundesweit bekannt, sogar überregionale Blätter berichten. Als der SPD-Abgeordnete, der am 7. März nicht in der Bürgerschaft war und bei knapper Mehrheit das jüngste epochale Ereignis der Sozialdemokratie gefährdete: die Wahl von Olaf Scholz zum Bürgermeister. Danach ist Funkstille. Nicht mal Spitzengenossen erreichen den Abtrünnigen.

Gestern nun ist "Togo-Frank" in Hamburg gelandet. Braun gebrannt und mit einer Gelassenheit, wie man sie an schönen Stränden verinnerlicht. "Für solche Schlagzeilen muss ein Bürgerschaftsabgeordneter sonst ziemlich lange stricken", sagte Wiesner dem Abendblatt. Er selbst habe sich über die Panne unglaublich geärgert. "Eins ist klar: Olaf Scholz hat einen gut bei mir."

Doch was ist geschehen? Nach dem Wahlkampf, der für den bisherigen Bezirkspolitiker aus Harburg mit dem überraschenden Einzug in die Bürgerschaft endete, will der 43-Jährige Urlaub machen. Er lebt allein, ist spontan und mag Fernreisen. Er bucht eine Gruppenreise durch "Schwarzafrika", Benin und Togo. Doch Fraktionschef Michael Neumann rät im ab: Nicht dass was dazwischen komme, nichts sei schließlich wichtiger als die Wahl des Regierungschefs.

Wiesner, das kann man sagen, macht stattdessen ausgiebig Gebrauch vom freien Mandat. Kollegen bezeichnen ihn als "dickköpfig, aber engagiert".

Nur kurz will er seine "Urlaubs- und Studienreise" unterbrechen: Abends vom größten Flughafen in Ghana starten, morgens in Hamburg landen, im Parlament seine Stimme abgeben - und wieder ab nach Afrika. Gazellen und Elefanten beobachten oder in tiefgrünen Wäldern wandern. ("Die sind übrigens weniger dicht gewachsen als der Harburger Rosengarten.")

So weit sein Plan. Als er sich aber am Sonntag, 6. März, von seiner Reisegruppe trennt und an der Grenze zu Ghana steht, fehlt ihm ein Visum, und er bekommt auch keines. "Sonntags machen die das nicht", stellt er fest. Und Korruption, so hört man, sei dort nicht mehr so weit verbreitet. Mit Bestechung jedenfalls will es Wiesner nicht probiert haben. Der Verkehrsexperte, der in Harburg zu Erkundungs-Radtouren einlädt, schaut auf die Karte und findet einen weiteren Übergang. Nach einer erneuten Taxifahrt scheitert er auch dort. Am späten Abend schreibt er eine SMS nach Hamburg, dass er es nicht schaffe, und sucht sich ein Hotel.

Der Rückruf kommt früh am nächsten Morgen. Wiesner will sich gerade mit französischem Omelette stärken, als ein zorniger Michael Neumann in den Hörer brüllt.

Wiesner erklärt sich und bedauert das "Malheur". Hätte er handeln wollen, ein Rücktritt von seinem Mandat wäre die einzige Möglichkeit gewesen; dann hätte ein anderer Genosse zur Wahl nachrücken können. Aber das ginge Wiesner zu weit.

Als nachmittags sein Handy piept, liest er eine "62". Scholz ist gewählt. Eine Genossin, die frisch entbunden hatte, musste im Rollstuhl ins Parlament gefahren werden. Und ein Abgeordneter aus einer anderen Fraktion gab Olaf Scholz seine Stimme. Eine Stimme anstelle Wiesners, irgendwie.

Mit der Erleichterung, dass in Hamburg nichts gänzlich angebrannt ist, beginnt Wiesner den "etwas entspannteren Teil" seines Urlaubs. Zufall oder nicht: In Westafrika sei der Empfang mit deutschen Handys nicht gut, sagt er. Und auch Internetcafés pflastern offenbar nicht seinen Weg, jedenfalls schickt er weder Michael Neumann noch Olaf Scholz eine Nachricht. Indessen ist Wiesner wieder bei seiner Reisegruppe angekommen. Das jedenfalls hat geklappt.

Aber warum sollte er nun seinen Urlaub abbrechen? Zumal "breite Strände" in Benin locken. Und es ist ohnehin klar, dass er zu Hause was auf den Deckel kriegt. Etwas mulmig ist ihm aber zumute. "Das kriegt man ja nicht ganz aus dem Kopf." Die Reise gefällt ihm aber, sogar Flusspferde und Wasserbüffel laufen vor seine Kamera. Und der Rückflug klappte bestens, fünf Stunden von Cotonou nach Paris, dann nach Hamburg.

Prompt empfängt Fraktionschef Neumann den Reisenden zu einem "normverdeutlichenden Gespräch". Weitere Konsequenzen hat der Politiker aber wohl nicht zu befürchten, zumal rechtliche Mittel fehlen, heißt es in Parteikreisen. Vor seinen neuen Fraktions-Kollegen wird sich der Harburger aber noch erklären müssen. Und auch vor seinen ehemaligen im Bezirk. Sein Mandat dort hat er offiziell auch noch nicht abgegeben. "Ich werde nun eine E-Mail schreiben", sagt Wiesner.

Ob er will oder nicht: Einen Ratschlag hat Frank Wiesner seinen Parteikollegen schon gegeben. Wie heißt es im Dschungelbuch? "Probier's mal mit Gemütlichkeit."