Ein Kommentar von Rainer Grünberg

Waren das noch Zeiten! Ein Anruf bei Rolf Schafstall, heute 74, oder Peter Neururer, 55, genügte - und schon war der Verein vor dem Abstieg gerettet. Klassenerhalt war so einfach, als es noch reichte, den Spielern statt Zucker ein bisschen mehr Motivation in den Hintern zu blasen.

Die Zeiten haben sich geändert. Die Branche hat gelernt. Nicht mehr die Retter sind gefragt, sondern Renovierer, Trainer, die für nachhaltige Konzepte stehen - wie ein Lucien Favre bei Borussia Mönchengladbach, dem Tabellenletzten der Fußball-Bundesliga. Der sportliche Schaden, das haben die Klubs begriffen, ist meist nicht mit dem Klassenerhalt repariert. Die Motivationskünstler haben oft eine halbe Saison später ihre heiße Luft wieder ausgeatmet. Das Spiel beginnt von Neuem. Fortschritt sieht anders aus.

Zusätzlich haben Typen wie Dortmunds Jürgen Klopp, Mainz' Thomas Tuchel, Freiburgs Robin Dutt und St. Paulis Holger Stanislawski in dieser Saison ein neues Ideal des Bundesliga-Trainers geprägt: jung, modern, kompetent, ein bisschen unkonventionell - und bei jedem Einsatz Höchstleistung, wie Klopps Werbebotschaft für einen Tapetenkleister lautet.

Alphatiere wie Louis van Gaal und Felix Magath haben angesichts dieses frischen wie frechen Gegenentwurfs offenbar ausgedient. Beide dulden auf ihrem Weg zum Erfolg keine Alternativen, ihre Kompromissbereitschaft hält sich in engen Grenzen. Friss oder stirb! Vereinsvorstände beugen sich allenfalls in höchster Not diesem Diktat, das sie zur Selbstverleugnung zwingt. Dabei garantierten van Gaals und Magaths Methoden bisher stets Titel und Trophäen. Der weiche Weg zum Erfolg, wenn es ihn denn wirklich gibt, scheint dennoch in Mode zu kommen. Allerdings: die Klopps, Tuchels und Dutts müssen ihre Qualitäten erst noch über einen längeren Zeitraum beweisen. Daran ist einer wie Ralf Rangnick bislang gescheitert.