Nach seiner Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Haft ist der Ex-Fußballprofi Kevin Hansen vorerst auf freiem Fuß und lebt sein früheres Leben.

Neustadt. Kevin Hansen tauchte bis vor wenigen Tagen aus der Versenkung nur dann in der Öffentlichkeit auf, wenn im größten Kokainprozess der deutschen Kriminalgeschichte gegen ihn und seine Mitangeklagten verhandelt wurde - stets begleiteten ihn dabei mehrere Polizisten in Zivil. Ansonsten war der Ex-Fußballprofi monatelang wie von der Bildfläche verschwunden. An einem unbekannten Ort in Hamburg vertrieb er sich die Zeit mit Fitness und Anrufen bei Freunden und Weggefährten. Zu sehen bekamen ihn nur seine Freundin und seine Eltern - auch das nur nach vorheriger Absprache.

Der Aufwand war Hansens besonderem Status geschuldet: Mitte Juni 2010 hatte ihn das Landeskriminalamt ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen, weil er als Erster Rechenschaft über die Machenschaften der Hamburger Kokainbande ablegte. Doch jetzt, nachdem ihn das Landgericht wegen Beihilfe zum Drogenhandel zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt hat, befindet er sich nach Abendblatt-Informationen auf eigenen Wunsch nicht mehr im Zeugenschutz. Eine Teilnahme am Programm setzt nach Polizei-Richtlinien jedoch zwingend eine freiwillige Bereitschaft voraus. "Es fanden danach zusätzliche Beratungen über individuelle Schutzmaßnahmen statt", sagt ein Polizeisprecher.

Offenbar fühlt sich Hansen nicht mehr bedroht und will sein früheres Leben wie selbstverständlich fortsetzen. Die Ausbildung zum Steuerfachgehilfen soll weiterlaufen, er kickt bereits wieder für seinen alten Verein, den Amateurligisten Hamm United.

Weil seine Verteidigerin und die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt haben, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Bis es soweit ist, bleibt Hansen auf freiem Fuß. "Wir haben die Revision aber auf die Frage des Vermögensverfalls beschränkt", sagt Wilhelm Möllers, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Grund: Nach Überzeugung der Anklage soll Hansen illegal 145 000 Euro aus den Straftaten erworben haben, die nun abgeschöpft werden sollten. Angeordnet hatte das Gericht jedoch nur einen Verfall über 12 000 Euro.

Freunde, Ex-Teamkollegen, Trainer - niemand hätte es für möglich gehalten, dass Hansen in solche Machenschaften verwickelt sein könnte. Schon in der Jugend galt er als Riesentalent mit viel Übersicht auf dem Platz und einer überragenden Schusstechnik. 1999 verpflichtet ihn Bundesligist Hansa Rostock. 2001 der Höhepunkt seiner jungen Karriere: Hansen bezwingt Oliver Kahn im Elfmeterduell. Nur ein Jahr später verlässt ihn aber das Karriereglück. Er bricht sich den Knöchel, wird neunmal operiert und 2005 Sportinvalide. 2008 heuert er bei Hamm United an, avanciert dort rasch zum Dreh- und Angelpunkt des Teams.

Gleichzeitig gerät er über einen Jugendfreund an die von den Ermittlern "Los Paraguayos" getaufte Kokainbande. Monatelang werden sie belauscht, am 12. April lässt die Polizei die Bande hochgehen und beschlagnahmt im Hafen 1,2 Tonnen Kokain mit einem Verkaufswert von 40 Millionen Euro. Bis zu fünf Millionen Euro Drogengeld soll Hansen bereits bei einem vorherigen Deal in seiner Billstedter Wohnung für die Bande aufbewahrt haben. Er und fünf weitere Verdächtige werden verhaftet - ein spektakulärer Scoop.

Am Ende des Prozesses hatte seine Verteidigerin noch für eine bewährungsfähige Strafe unterhalb von zwei Jahren plädiert. Die Kammer nahm Hansen die Reue ab, nicht aber, dass er in den Schlamassel nur hineinrutschte. "Das ist nicht einfach über sie gekommen", sagte der Richter. "Sie haben sich eingelassen auf des Teufels Pakt."