Es ist die größte Menge, die je in Deutschland gefunden wurde. Auf der Straße hätten die Drogen einen Verkaufswert von 106 Millionen Euro.

Hamburg. Der sonst eher zurückhaltende Chef-Milieufahnder Thomas Menzel griff zu einem populären Vergleich: "Ein Sechser im Lotto plus Zusatzzahl reicht nicht", sagte er, als er gefragt wurde, welchen Marktwert das Kokain wohl habe, das Polizei und Staatsanwaltschaft am Montagmorgen im Hafen sicherstellten. Und tatsächlich müsste der größte Jackpot der deutschen Lottogeschichte verdoppelt werden, damit man auf eine Summe käme, die dem Wert der Drogenmenge entspricht, die jetzt sicher im Polizeipräsidium lagert.

Rund 106 Millionen Euro wäre das weiße Pulver wert, würde man es grammweise und gebrauchsüblich gestreckt auf Hamburgs Straßen an die Endabnehmerschaft veräußern. Mit 1,33 Tonnen der weißen Droge hat die Polizei die größte Kokainmenge sichergestellt, die jemals in Deutschland aktenkundig geworden ist. Eine Riesenmenge, die ausreichen würde, sämtliche Kokser einer Großstadt wie Hamburg für Monate bei höchst ungesunder Laune zu halten. Auf die Hamburger umgerechnet entspricht die gefundene Menge Kokain fast ein Gramm pro Nase.

1244 federtaschengroße schwarze Päckchen, die meisten etwas schwerer als ein Kilogramm, versehen mit fünf roten Sternchen und verpackt in Folie und Klebeband - so sieht der Fund, der die weit verzweigte Gemeinde der Kokain-Konsumenten in Nachschubnot bringen dürfte, aus. Der wahre Marktwert wird von den Hamburger Fahndern auf rund 40 Millionen Euro taxiert - denn niemand käme auf die Idee, eine solch gigantische Menge Koks in einzelnen Beutelchen an Endabnehmer zu veräußern. So war, wie Thomas Menzel, Hamburgs oberster Fahnder im Bereich Organisierte Kriminalität (OK), bestätigt, die Beute auch zum mengenrabattierten Weiterverkauf in größeren Einheiten bestimmt - unter anderem in die Niederlande.

Auch abseits der sichergestellten Drogenmenge: Der Schlag gegen die Dealerbande hat gehörige Ausmaße. Zwölf Objekte in Hamburg durchsuchte die Polizei am Montag, weitere in Nordrhein-Westfalen, insgesamt 19. 450.000 Euro stellten Ermittler sicher, diverse Waffen und Dutzende Handys. Einer der Verdächtigen hatte allein 14 aktive Mobiltelefone bei sich. Sieben Männer wurden festgenommen. Der mutmaßliche Kopf der Bande ist Ibrahim K. (31). Der Mann wohnte bislang in Eidelstedt, wurde in der Wohnung eines Bekannten in Schnelsen festgenommen. K. soll die Logistik des Riesendeals erdacht und überwacht haben.

Sein Hauptpartner: der Paraguayer Pedro A. E. (35). Nach Ermittler-Erkenntnissen regelte er den Transport der Ware per Schiff aus Asuncion in Paraguay in den Hamburger Hafen. Der 35-Jährige hat eine kleine Wohnung in Horn. Hauptberuflich soll A. E. Panflötist sein - unter anderem auf Kreuzfahrtschiffen. An der Maxstraße in Eilbek fassten LKA-Beamte den 31-jährigen Kanber Ö. in dessen Audi A3. Bedauerlicherweise schoss sich bei dieser Aktion ein LKA-Beamter ins Bein (wir berichteten). Weiterhin inhaftierten die Beamten die mutmaßlichen Helfer Kevin H. (30), der früher als Profi bei Hansa Rostock in der Fußball-Bundesliga spielte, Celal E. (29) und Konstantin F. (27), der schon einmal gemeinsam mit Ibrahim K. als Drogenhändler aufgefallen war.

Ebenfalls in Haft: Haci C. (28), die Bank der Bande. Bei ihm fanden die Ermittler die 450.000 Euro und eine Geldzählmaschine. "Wir ermitteln wegen Handel und Einfuhr von Betäubungsmitteln - wegen der jetzt sichergestellten 1,3 Tonnen Kokain und weiterer Fälle", sagt Oberstaatsanwalt Ronald Giesch-Rahlf. Die am Montag angelandete Lieferung war, da sind sich die Ermittler sicher, nicht die erste.

Obwohl dem Fund monatelange, intensive und komplexe verdeckte Ermittlungen vorangegangen waren, stehen die Ermittler noch am Anfang ihrer Arbeit. Den mutmaßlichen Großdealern drohen bis zu 15 Jahre Haft. "Sie haben einiges unternommen, um die Lieferungen zu verschleiern", sagt Thomas Menzel. Zum Übersee-Transport waren die Kokspäckchen in einzelne Kisten mit Holzbriketts verpackt worden, die wiederum zunächst aufgesägt, dann mit den Päckchen befüllt und mit Heißkleber wieder verschlossen wurden.

Als Lieferung dieses Brennstoffs war der Container-Inhalt dann auch deklariert. Insgesamt sieben Container mit entsprechendem Inhalt haben die Verdächtigen in Asuncion auf die Reise geschickt. Wie viel Kokain die Bande um Ibrahim K. nach Hamburg schleuste, wird sich kaum noch klären lassen. Sicher jedoch ist, dass die Männer den 11. November vergangenen Jahres verfluchen werden: An jenem Tag, um 18.55 Uhr, hielten Bereitschaftspolizisten zwei von ihnen bei einer Routine-Verkehrskontrolle an der Rennbahnstraße in Horn an. Im Auto entdeckten die Beamten drei Kilo Kokain. Mit diesem Fund nahmen die Ermittlungen, an denen neben Polizei und Staatsanwaltschaft auch der Zoll beteiligt war, ihren Anfang.