Fast alle 18 bis 20 Jahre alten Gewalttäter werden nach Jugendstrafrecht verurteilt. Das soll sich nach dem Willen der Union ändern.

Hamburg. Seien es die beiden 20 Jahre alten Busschläger von Bahrenfeld, die einen jungen Luruper brutal zusammenschlugen. Oder die 18-jährige Jessica R. aus Wilhelmsburg, deren Säugling Lara-Mia mit Zeichen der Mangelernährung starb. Fälle wie diese erregen nicht nur wegen ihrer Brutalität und Absurdität die Öffentlichkeit. Sie werden vor allem dann heiß diskutiert, wenn die laut Gesetz erwachsenen Täter vor dem Gericht nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden und entsprechend mildere Strafen erhalten.

Wie eine Senatsanfrage der SPD im Januar ergab, werden die meisten Straftäter im Alter zwischen Anfang 18 und Ende 20 in Hamburg nach dem im Jugendgerichtsgesetz (JGG) festgeschriebenen Jugendstrafrecht verurteilt, bei dem der Erziehungsgedanke im Vordergrund steht. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass die Täter nicht reif genug waren, das Unrecht der Tat einzusehen - weder sittlich noch geistig. 87 Prozent aller Strafverfahren wurden entsprechend behandelt.

In der Gruppe der Gewaltstraftäter, also bei jenen, die wegen gefährlicher Körperverletzung, räuberischer Erpressung oder Mord verurteilt wurden, ist diese Quote noch höher. Laut aktuellen Zahlen von 2009 des Statistikamts wurden 97 Prozent aller Gewalttäter nach dem Jugendstrafrecht verurteilt. Nur drei Prozent erhielten ihre Strafen nach dem Erwachsenenstrafrecht.

Justizsenator Heino Vahldieck (CDU) forderte angesichts dieser Zahlen erneut eine Verschärfung des Rechts: "Die verbreitete Anwendung des Jugendstrafrechts auch auf junge Erwachsene macht deutlich, dass wir die vom Senat angestrebte Änderung des Jugendgerichtsgesetzes dringend brauchen." Wer volljährig sei, übernehme alle Rechte und damit auch alle Pflichten eines mündigen Erwachsenen, müsse deshalb auch mit allen strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Vahldieck will, dass das Jugendstrafrecht nur noch im Ausnahmefall in Betracht gezogen werden dürfe und nur bei solchen Tätern, "bei denen eine erhebliche Entwicklungsverzögerung vorliegt". Eine entsprechende Forderung solle auch im Bundesrat eingebracht werden, sagte Vahldieck. Er betonte, dass es im Ländervergleich große Unterschiede gibt: 2006 sei das Jugendstrafrecht in Hamburg auf 88 Prozent der Fälle angewandt worden, in Baden-Württemberg nur auf 54 Prozent, in Brandenburg auf 45 Prozent. Dies sei vor dem Hintergrund des rechtsstaatlichen Gleichbehandlungsgebotes nicht zu akzeptieren.

SPD-Innenexperte Andreas Dressel kritisierte: "Wir haben bei jungen Gewalttätern mehr ein Vollzugsdefizit und weniger ein Gesetzesdefizit." Vahldieck missbrauche "das Gesetzgebungsorgan Bundesrat als Wahlkampfbühne". Im Vordergrund stehe, den "umfangreichen Instrumentenkasten des Jugendstrafrechts" auch "genauso umfassend" anzuwenden. "Gerade die Beschleunigungsmöglichkeiten werden noch nicht genug genutzt." Der Anteil der beschleunigten Jugendverfahren liege auf einem Tiefststand."

Auch in der Richterschaft kommt Vahldiecks Vorstoß nicht gut an: "Mit der Heranwachsenden-Regelung trägt man der Tatsache Rechnung, dass sich junge Menschen jenseits von 18 Jahren noch in der Entwicklung befinden. Sie werden biologisch zwar schneller reifer, die Übernahme von Rollen, wie sie mit dem Erwachsensein verbunden werden, hat sich aber deutlich nach hinten verschoben", sagte Professor Bernd-Rüdeger Sonnen von der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte.

"Erwachsenenstrafrecht für Heranwachsende - das ist kein wirksames Mittel zur Eindämmung von Gewalt", sagte Achim Katz, Jugendrichter am Amtsgericht Altona. "Es wird diskutiert, ein Jungtäterstrafrecht für 21- bis 25-Jährige zu installieren, das halte ich für sinnvoll. Es gibt genug junge Erwachsene, die unter erheblichen Reifeverzögerungen leiden."

Zudem sehe das primär auf die Verhinderung weiterer Straftaten, sehr differenzierte Jugendstrafrecht als Ultima Ratio für besonders unbelehrbare, junge Gewalttäter die Jugendstrafe vor - eine ausreichende Sanktion.

Auch der Bergedorfer Jugendrichter Olof Masch geht mit Vahldieck hart ins Gericht. "Was sich die Politiker vorstellen, sind Jugendliche, die mit 16 schon in der Lage sind, wählen zu gehen, und mit 17 ihren Führerschein machen. Die Realität sieht völlig anders aus. Wir Jugendrichter urteilen über 20-Jährige, die sich nicht nur nicht an Regeln halten können, sondern die so gut wie nichts auf die Reihe kriegen."