Zwei Verdächtige zockten mindestens 65.000 Menschen mit vermeintlich kostenlosen Downloads ab. Wegen Fluchtgefahr sind sie jetzt in Haft.

Hamburg. Die Staatsanwaltschaft spricht von einem "beachtlichen Schlag gegen die Internet-Kriminalität", die Polizei Hamburg vom "größten Internetverfahren seit mindestens fünf Jahren": Zwei 27 und 30 Jahre alte Männer aus Lüneburg sollen von ihren Hamburger Büros aus mindestens 65 000 Internet-Benutzer in eine sogenannte Abo-Falle gelockt und durch etliche Betrugstaten mehr als fünf Millionen Euro eingenommen haben.

Seit Anfang 2009 ermittelten Polizei und Staatsanwaltschaft mit fünf eigens für diesen Fall abgestellten Beamten. Im Rahmen einer bundesweiten Razzia nahmen Fahnder die mutmaßlichen Hintermänner Sascha Sch, 30, und David S., 27, in Haft. Ihnen drohen lange Gefängnisstrafen.

In vielen Internetportalen boten die mutmaßlichen Betrüger scheinbar kostenlose Programme zum Herunterladen an. Kunden, die per Mausklick Dateien herunterluden und ihre Personalien angaben, erhielten später Rechnungen über angeblich abgeschlossene Zweijahres-Abonnements von Software. Zahlten sie nicht sofort, erhielten sie weitere Briefe, die jedes Mal fordernder wurden. Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers: "Da wurde massiver Druck aufgebaut, mit Inkasso und Klagen gedroht." Hunderttausende solcher Briefe sind an Internetnutzer in ganz Deutschland verschickt worden - oft zahlten die Betroffenen, aus Angst vor einem möglichen Gerichtsverfahren. 65 000 Opfer sind Polizei und Staatsanwaltschaft namentlich bekannt. Die tatsächliche Zahl der Betroffenen dürfte noch höher liegen.

Im Verlauf der Ermittlungen sperrten die Fahnder mehrere Dutzend Konten, auf denen noch 1,5 Millionen Euro lagerten. Das Geld wurde eingefroren. Die Beamten durchsuchten Wohnungen und Büros an der Lübecker Straße, an der Peutestraße, am Brandshofer Deich, in Lüneburg, Berlin, Frankfurt, Würzburg und Süderlügum. Die Ermittler stellten allein mehr als 185 Festplatten sowie sonstige Datenträger sicher und müssen noch Tausende Chat-Protokolle und Datenbanken auswerten. Denn die mutmaßlichen Großbetrüger hatten alles versucht, um ihre digitale Spur zu verwischen. Sie hatten ein Geflecht von neun arbeitsteilig agierenden Firmen aufgebaut, als deren Geschäftsführer wechselnde Strohmänner dienten. Die Firmen - sie tragen Namen wie Belleros Premium Media Ltd., Online Abrechnungen GmbH, Downloaden Service, Xia Verwaltungs-GmbH oder sogar "Zahl-doch-einfach-Gesellschaft für Inkasso" zogen ständig um.

Die Täter gaben ihren Webseiten ständig neue Namen. Um möglichst viele Kunden auf die Seiten zu locken, versuchten sie, sich in den Listen der Suchmaschine Google stets möglichst weit oben zu halten. Polizeisprecher Holger Vehren: "Die Täter waren technisch perfekt ausgestattet und hoch organisiert." Sie wechselten häufig ihre Büros und meldeten immer neue Firmen an, die stets demselben Ziel dienten: Adressen von "Kunden" zu sammeln und ihnen eine Drohkulisse zu errichten.

Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft fungierte David S. als Computerexperte im Hintergrund, Sascha Sch. war der Mann für die Außenkontakte. In einer Mail, die Ermittler sichern konnten, kündigte David S. seine Flucht ins Ausland an, falls die Fahnder ihm auf die Schliche kämen. Der Plan ging nicht auf. Neben den jungen Hintermännern steht unter anderem der Hamburger Rechtsanwalt Sven S. auf der Liste der Beschuldigten. Er soll unter anderem die lukrativen Inkassodienste für die mutmaßlichen Großbetrüger übernommen haben. "Zielgerichtet und planerisch professionell", so nennt Oberstaatsanwalt Möllers das Vorgehen der Verdächtigen.

Die Verbraucherzentrale spricht angesichts der immer neuen Abzockseiten und -firmen im Internet von einer "Landplage". Geschäftsführer Günter Hörmann: "Hier ist auch der Gesetzgeber gefordert. Nach wie vor laufen Internetbenutzer große Gefahr, Opfer von Betrügern zu werden, weil sie Kleingedrucktes nicht erkennen können oder Kleingedrucktes gar nicht erst vorhanden ist." Hörmanns Kollegin Anneke Voß, Expertin für Internetbetrug, ergänzt: "Das Netzwerk, das die Ermittler jetzt gesprengt haben, ist leider nur eines von mehreren. Ein weiteres gibt es zum Beispiel im Frankfurter Raum - und die Methoden der Betrüger ändern sich beständig." Wie hoch die Schadenssumme ist, sei nicht abzuschätzen.

Auch Polizeisprecher Vehren und Oberstaatsanwalt Möllers raten zu "Vorsicht im Internet". Sascha Sch. und David S. schweigen. Der Richter begründet den Haftbefehl damit, dass "die Kombination aus finanziellen Rücklagen und einer zu erwartenden langjährigen Haftstrafe einen Fluchtversuch wahrscheinlich machen".