Plan-Studie zu Genitalverstümmelung. Sozialbehörde arbeitet an Maßnahmenpaket für Betroffene, die in Hamburg leben

Hamburg. "Ich wurde quasi auf den Boden genagelt. Vier Frauen saßen auf mir. Ich sah eine alte Dame mit Klingen, die immer und immer wieder schnitt. Ich schrie." Den Schmerz, den Amina erfahren hat, wird sie für den Rest ihres Lebens nicht vergessen. Ein Schmerz, für den es keine Worte gibt. Amina lebt in Hamburg. Sie ist 38 Jahre alt. Sie hat zwei Kinder, die unter höllischen Schmerzen gezeugt wurden. Für eine Studie des Kinderhilfswerks Plan hat sie ihre Geschichte erzählt. Die Geschichte eines Mädchens aus Afrika, das in einem kleinen Dorf an der Elfenbeinküste aufgewachsen ist. Einem Dorf, in dem einmal im Jahr eine blutige Tradition gefeiert wird, bei der alle Mädchen zwischen zwölf und 15 Jahren im Mittelpunkt stehen. So auch Amina. Sie war 14 Jahre alt, als die Frauen im Dorf bei ihr das Messer ansetzten. Ohne Narkose schnitten sie dem Mädchen die äußeren und inneren Schamlippen sowie Teile der Klitoris ab. Sie nähten die Wunde zu, banden die Beine aneinander. Eine winzige Öffnung blieb zum Wasserlassen.

So wie Amina, die auch Mamina heißen könnte oder Maryama, geht es in Deutschland mehreren Tausend Mädchen. Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes und der Organisation Terre des Femmes droht in Deutschland mehr als 4000 Mädchen, die jünger sind als 15 Jahre, die Verstümmelung ihrer Genitalien. Erstmals gibt es jetzt auch konkrete Zahlen für Hamburg. Das Kinderhilfswerk Plan befragte 1800 Immigranten aus betroffenen Ländern, davon 660 Frauen. Die Ergebnisse zeigen: Jede dritte in Hamburg lebende Frau aus einem praktizierenden Land ist beschnitten. Sieben Prozent der Töchter sind betroffen.

Youssouph C. stammt von der Elfenbeinküste. Er ist 32 Jahre alt, studiert Elektroinformationstechnik und ist einer von 20 jungen Menschen aus Afrika, die für die Studie Betroffene aus 26 Ländern südlich der Sahara zum Thema Beschneidung befragt haben. Er lehnt die Beschneidung ab. So wie es 81 Prozent der Befragten tun. Drei Prozent plädieren für ihre Fortführung, 16 Prozent haben keine klare Meinung.

Wenn Youssouph von den Gesprächen erzählt, schüttelt er den Kopf. Weil er selbst manchmal gar nicht glauben kann, was er und seine Kollegen da hören mussten. Sätze wie diese: "Ich war in diesem Jahr in Guinea und wollte meine dritte Tochter beschneiden lassen, doch ich hatte Angst, sie würde erzählen, was ihr geschehen ist, wenn sie wieder in Deutschland ist. Deshalb warte ich noch, bis sie versteht, dass es gefährlich ist, Deutschen davon zu erzählen ... Ich werde sie beschneiden lassen. Ihr Körper muss das Zeichen der Klinge tragen." Ein Mann von der Elfenbeinküste gab zu Protokoll: "Beschnittene Frauen sind gute Frauen. Sie gehorchen ihren Männern. Die Entscheidung, ob ich meine Tochter beschneiden lasse, liegt allein bei mir."

Anja Stuckert, Referentin von Plan Deutschland, sieht das komplett anders: "Weibliche Genitalverstümmelung ist eine gravierende Verletzung der Kinder- und Frauenrechte." Schätzungen zufolge sind weltweit etwa 140 Millionen Frauen betroffen. Die meisten von ihnen leben in Afrika. Die Migration hat dieses Verbrechen auch nach Deutschland gebracht. Mädchen werden für die Ferien nach Hause geschickt, wo dann die Beschneidung vorgenommen wird.

"Die Zahlen der Studie zeigen, dass sich der Senat dieses Themas dringend annehmen sollte", sagt Plan-Geschäftsführerin Maike Röttger. Unter Federführung der Sozialbehörde will das Kinderhilfswerk nun gemeinsam mit in Hamburg lebenden Afrikanern und Afrikanerinnen einen Aktionsplan erarbeiten. "Ich werde dafür eintreten, dass wir diese Erkenntnisse nutzen, um bedarfsgerechte Maßnahmen des Opferschutzes weiterzuentwickeln", sagt Senator Dietrich Wersich (CDU).

Der Schwerpunkt der Arbeit soll auf Präventionsmaßnahmen liegen, aber auch konkrete Hilfe für betroffene Frauen wie die Vermittlung psychosozialer Betreuungsangebote beinhalten.