Die Fluggesellschaft Lufthansa testet auf der Strecke von Hamburg nach Frankfurt Alternative zum Kerosin. Doch Biomasse ist knapp und teuer.

Hamburg. Der Stoff, der die Jets der Zukunft antreibt, riecht nicht nach Benzin, sondern nach Zitrone oder nach Fisch. Denn die Luftfahrtbranche will in den kommenden Jahrzehnten die Abhängigkeit von dem allmählich zur Neige gehenden Erdöl verringern und setzt dazu auf Alternativen aus nachwachsender Biomasse. Sie würden zudem den CO2-Ausstoß drastisch senken, weil das bei der Verbrennung frei werdende Kohlendioxid beim Wachstum der Biomasse aus der Atmosphäre wieder abgezogen wird.

Hamburg wird in diesem Jahr eine zentrale Rolle bei diesem Umstieg auf nachhaltige Energien spielen: Von April an wird die Lufthansa für sechs Monate auf der Strecke zwischen der Hansestadt und Frankfurt im täglichen Liniendienst einen Airbus A321 mit einem Biotreibstoffmix fliegen lassen. Bis zu achtmal pro Tag wird der Jet auf den beiden Flughäfen abheben. Damit ist dies der erste Langzeittest im echten Praxiseinsatz, nachdem seit Anfang 2008 einzelne Probeflüge von Airbus- und Boeing-Maschinen mit alternativen Treibstoffen stattfanden - meist ohne Passagiere.

Dass Hamburg im Jahr 2011 den Titel der Umwelthauptstadt Europas trägt, dürfte für die Wahl der Lufthansa-Erprobungsstrecke nicht den Ausschlag gegeben haben. Vielmehr sprechen praktische Gründe für die Hansestadt: Die für den Test erforderlichen 800 Tonnen Bioflugtreibstoff kommen auf dem Seeweg aus Helsinki. Sie werden von dem finnischen Energiekonzern Neste produziert, denn in Deutschland gibt es nach Angaben der Lufthansa noch keine Anlage, die solche Mengen herstellen könnte. Um unnötige Weitertransporte zu vermeiden, tankt der Airbus immer nur in Hamburg.

"Wir erwarten, dass wir während der Testphase 1500 Tonnen CO2 einsparen", sagte Lufthansa-Sprecher Peter Schneckenleitner dem Abendblatt. Nach seiner Einschätzung ist vor allem die Knappheit an geeigneten Kraftstoffen verantwortlich dafür, dass die bislang nicht in größerem Umfang genutzt werden: "Es gibt eine riesige Nachfrage, aber kaum ein Angebot."

Derzeit seien Flugtreibstoffe aus Biomasse mindestens dreimal, im Extremfall sogar zehnmal so teuer wie Kerosin, sagte Paul Nash, Leiter des Bereichs Alternative Energien bei Airbus. Die Lufthansa gibt die Kosten des Tests mit 6,6 Millionen Euro an, das Bundeswirtschaftsministerium übernimmt davon 2,5 Millionen Euro.

Allerdings wird der A321 nicht ausschließlich mit Biosprit betrieben. Eines der beiden Triebwerke verbrennt herkömmliches Kerosin, das zweite einen Mix mit 50 Prozent Biotreibstoffanteil. "Höhere Beimischungen sind noch nicht zugelassen", sagt Nash. "Wir hoffen, dass wir im Jahr 2012 reinen Biotreibstoff einsetzen dürfen. Bei Airbus laufen seit vier Jahren Forschungen hierzu, und wir wissen inzwischen, dass keinerlei Änderungen an den Triebwerken nötig sind."

Für den Test wird die Lufthansa ein Biomassegemisch einsetzen, das zu 60 Prozent aus den Früchten der Jatropha-Pflanze besteht - deren Öl riecht in raffinierter Form ähnlich wie eine Zitrone. Zu 40 Prozent besteht der Ökosprit aus Rapsöl und tierischen Fetten. Jatropha ist nicht essbar und kann selbst in trockenen Savannengebieten angebaut werden. Das ist ein wichtiges Kriterium, denn die Fluggesellschaften wollen sich nicht vorwerfen lassen, Nahrungsmittelpreise hochzutreiben oder für die Abholzung von Regenwäldern mit verantwortlich zu sein.

Mehrere Zukunftsprojekte setzen auf die Eignung dieser subtropischen Pflanze. So will Airbus zusammen mit der brasilianischen Airline TAM, einem Tochterunternehmen des Energiekonzerns BP, sowie weiteren Firmen in Brasilien eine Fabrik aufbauen, die von 2013 an zunächst 80 000 Tonnen Biotreibstoff jährlich für die Luftfahrt erzeugt und ein Viertel des Treibstoffbedarfs von TAM decken soll. Neuseelands Fluglinie Air New Zealand plant, im Jahr 2013 immerhin zehn Prozent der Flüge mit Biosprit zu betreiben.

Umweltschützer sind jedoch skeptisch. "Die Luftfahrtbranche versucht, sich ein grünes Mäntelchen umzuhängen und davon abzulenken, dass Fliegen die klimaschädlichste Fortbewegungsart ist", sagte Karsten Smid, Energieexperte von Greenpeace in Hamburg. So verändere allein schon der Wasserdampf, der bei der Verbrennung in großen Höhen ausgestoßen wird, das Klima - unabhängig von der Zusammensetzung des Treibstoffs. "Außerdem sind die für die Luftfahrt benötigten Mengen so gigantisch, dass eine umweltverträgliche Erzeugung schwer vorstellbar ist."

Dieses Argument lässt sich nicht so leicht von der Hand weisen. In Branchenkreisen schätzt man, dass eine Fläche größer als die gesamte Landmasse Europas gebraucht würde, um die weltweite Verkehrsluftfahrt mit Biosprit aus Sojabohnen zu versorgen. Treibstoff aus Algen gilt daher auf lange Sicht als Favorit. Bei diesem Verfahren, das bislang allerdings erst im Labormaßstab erprobt ist, würde eine Fläche entsprechend der des Staates Belgien genügen. "Wir glauben, dass es künftig möglich sein wird, Biotreibstoff aus Algen zum gleichen Preis herzustellen wie Kerosin", sagte Nash.

Dies wäre die Voraussetzung, um die ehrgeizigen ökologischen Ziele der internationalen Luftfahrtorganisation IATA zu erfüllen und zugleich die Abhängigkeit vom Öl zu verringern: Bereits in zehn Jahren sollen alternative Treibstoffe 15 Prozent des weltweiten Verbrauchs ausmachen, zehn Jahre später schon 30 Prozent.