Karsten Smid, 52, arbeitet als Experte für Klimaschutz bei Greenpeace in Hamburg.

1. Hamburger Abendblatt:

Die Lufthansa will im Frühjahr damit beginnen, Ökosprit zu testen. Ist das vorbildlich im Sinne des Klimaschutzes?

Karsten Smid:

Nein, keineswegs. Die Belastungen für das Klima rühren beim Flugverkehr nicht allein vom Kraftstoff her. Die Verbrennungsprozesse hoch oben in der Atmosphäre sind für das Klima nach heutigen Erkenntnissen drei- bis fünfmal so schädlich wie der Betrieb von Motoren am Boden, unter anderem auch wegen der Bildung von Wasserdampf. Das sagt die Lufthansa ihren Passagieren nicht. Insofern sind Tests mit Ökosprit vor allem eine verlogene PR-Aktion.

2. Was sollen Fluggesellschaften wie die Lufthansa denn sonst tun, um mehr zum Schutz des Klimas beizutragen?

Smid:

Die Kunden müssten etwas tun. Fliegen ist die klimaschädlichste Art, sich fortzubewegen. Der größte Teil des Flugverkehrs müsste innerhalb Europas auf die Bahn übertragen werden. Im innereuropäischen Verkehr ist die Schiene eine Alternative zum Flugzeug.

3. Taugt Biosprit denn gar nicht, um die Belastungen des Klimas durch den Verkehr zu lindern?

Smid:

Biosprit, so wie er in den vergangenen Jahren hergestellt wurde, hat Probleme verschoben, sie teilweise verstärkt, aber nicht gelöst. Es hat sich gezeigt, dass die Ökobilanzen beim Anbau von Nutzpflanzen für Biosprit in unseren Regionen sehr viel schlechter sind, als man erhofft hatte. Zum Beispiel auch deshalb, weil viel Kunstdünger dafür eingesetzt werden muss. Dann hat man versucht, das Problem durch den Import von Palmöl aus Indonesien zu lösen. Die Abholzung von Regenwäldern zum Anbau von Ölpflanzen ist für das Klima noch schädlicher als die Verbrennung von Erdöl. Diese Wälder sind nicht nur einmalig für die Vielfalt der Arten, sondern auch wertvolle Speicher für das Treibhausgas Kohlendioxid.

4. Was ist von Ökokraftstoffen der sogenannten ,zweiten Generation' zu erwarten, die technologisch aufwendiger produziert werden?

Smid:

Ich glaube nicht, dass man das Dilemma der Ökokraftstoffe damit wird lösen können. Kraftstoffe aus Nutzpflanzen brauchen in jedem Fall Agrarfläche. Daraus erwächst eine Konkurrenz zum Anbau von Nahrungspflanzen - der Konflikt ,Teller oder Tank'.

5. Welche Auswege gibt es denn bei der Erzeugung von Kraftstoffen für den Verkehrssektor?

Smid:

Entscheidend ist, dass der Verbrauch von Verbrennungsmotoren immer weiter gesenkt wird. Und dass möglichst viele Menschen Fortbewegungsmittel auf die ökologisch am wenigsten schädliche Weise nutzen - dass man zum Beispiel den Zug nimmt anstelle des Flugzeugs oder des Autos.