Ein Kommentar von Matthias Gretzschel

Die Vergangenheit wirft ihre Schatten und manchmal geraten wir unversehens in historische Untiefen hinein, die mit persönlichen Tragödien verknüpft sind. Auf einmal offenbart ein dekorativer Gobelin, der seit Jahrzehnten in Hamburgs noblem Hotel Vier Jahreszeiten hängt, eine Geschichte, die mit persönlichen Tragödien verbunden ist: 1937 enteigneten die Nazis die Kunstsammlung der Jüdin Emma Budge und ließen sie versteigern. Das Museum für Kunst und Gewerbe erwarb zwei wertvolle Pokale, das Vier Jahreszeiten jenen kostbaren Bildteppich. Das war damals rechtens, und auch nach heutiger Rechtslage gibt es offenbar keine Verpflichtung zur Rückgabe oder Entschädigung.

Doch gerade dieser Fall zeigt, dass sich mit heutigem Recht dem, was Menschen vor mehr als einem halben Jahrhundert auch in dieser Stadt widerfahren ist, nicht immer beikommen lässt. Wenn das Recht an Grenzen stößt, bleibt immer noch die Frage nach der Moral. Das Museum für Kunst und Gewerbe hat sich ihr gestellt, als es die jüdischen Erben entschädigte. Bleibt zu hoffen, dass auch das Hotel Vier Jahreszeiten bei seiner Entscheidung nicht nur juristische Argumente beachtet, sondern auch dem gerecht wird, was man historische Verantwortung nennt