Der Parteitag wählt den Bürgermeister mit 93,5 Prozent zum Spitzenkandidaten - der Parteichef erhielt nur 61 Prozent.

Rotherbaum. Die Delegierten der Hamburger CDU haben am Wochenende das getan, was sie besonders gut können. Sie haben in geheimer Wahl einem ihrer Vorderleute einen Denkzettel verpasst. In einer Partei, in der nach wie vor viele Diskussionen nicht offen geführt werden, geben Personalwahlen häufig die Stimmungslage wieder. Der Leidtragende war diesmal Partei- und Fraktionschef Frank Schira.

Nachdem Bürgermeister Christoph Ahlhaus mit sehr guten 93,5 Prozent Zustimmung zum Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl erhalten hatte, kassierte Schira auf Listenplatz zwei einen schweren Dämpfer: Nur 114 von 185 Delegierten im Hotel Grand Elysée an der Rothenbaumchaussee gaben Schira ihre Stimme. Bei 65 Nein-Voten und sechs Enthaltungen erreichte die Nummer zwei in der CDU-Hierarchie eine Zustimmung von nur 61,6 Prozent. Ein Raunen ging durch den Saal, als das Ergebnis bekannt gegeben wurde, und einen Moment lang schien Schira um Fassung zu ringen.

"Bei der Aufstellung einer Bürgerschaftsliste gibt es immer auch Enttäuschungen", sagte Schira. Dafür werde der Parteichef in erster Linie verantwortlich gemacht. "Mein Ergebnis steht in der Tradition der Ergebnisse vieler Parteivorsitzender vor mir", suchte Schira Trost bei den Altvorderen. "Wer führt, eckt auch mal an", setzte Ahlhaus trocken hinzu. Doch hinter dem schlechten Ergebnis für Schira könnte auch mehr stehen. Auf dem Parteitag gab es Delegierte, die die hohe Zahl der Nein-Stimmen hinter vorgehaltener Hand als Kritik an Politik und Strategie der Parteiführung seit dem Rücktritt von Bürgermeister Ole von Beust im Sommer und vor allem nach dem Koalitionsbruch durch die GAL Ende November werteten. Es geht aber auch schon um die künftige Machtverteilung in der CDU. "Das schlechte Ergebnis für Schira ist ein Hinweis darauf, was nach dem 20. Februar passiert", sagte ein Christdemokrat. Das heißt konkret: Sollte die CDU angesichts schlechter Umfragewerte die Macht im Rathaus verlieren, womit viele in der Partei rechnen, dann wäre Schira nach Ansicht seiner Kritiker nicht der richtige Oppositionschef.

Nach der Schlappe für Schira drohte plötzlich auch die Kandidatur des parteilosen Rechtsanwalts Walter Scheuerl, der mit seiner Volksinitiative die Primarschule gekippt hatte, zur Zitterpartie zu werden. Scheuerl war von Ahlhaus und Schira persönlich für den Listenplatz fünf vorgeschlagen worden. Das Gedrängel auf den wenigen aussichtsreichen Plätzen wurde dadurch noch größer. Die Anspannung war Scheuerl anzumerken, der mit einer CDU-Kritik zuletzt viele Mitglieder gegen sich aufgebracht hatte. "Ich habe eigentlich immer CDU gewählt und stehe der Partei sehr nahe", sagte Scheuerl in seiner Nominierungsrede. Die Volksinitiative habe nicht gegen die CDU, sondern die Primarschule gekämpft.

"Ich möchte Teil des Teams werden. Heute ist ein Tag der Versöhnung zwischen CDU und Initiative", so Scheuerl. Er wurde mit 65,6 Prozent gewählt. Abgesehen vom Eklat um den Listenplatz acht (siehe rechts) gab es nur eine Kampfkandidatur: CDU-Fraktionsvize Wolfgang Beuß konnte sich nur sehr knapp mit 91 zu 88 Stimmen gegen den Bürgerschaftsabgeordneten Jörn Frommann durchsetzen.

Zu Beginn des Konvents hatte Ahlhaus in einer kämpferischen Rede Optimismus zu verbreiten versucht. "Ich bin richtig gut drauf, und ich sehe, ihr seid es auch", rief Ahlhaus den Delegierten zu. Er attackierte seinen SPD-Herausforderer Olaf Scholz, der den Wählern "haltlose Versprechen" mache. Scholz sage nicht, wie er die Mehrausgaben von rund einer halben Milliarde Euro finanzieren wolle. "Er verspricht jedem alles. So kann man keine seriöse und verlässliche Politik für die Stadt machen", sagte Ahlhaus. "Wir können die Wahl gewinnen, weil wir die besseren Argumente haben." Nach kurzer Diskussion verabschiedeten die Delegierten das 57-seitige Wahlprogramm einstimmig.