Geistlicher der Altonaer St.-Petri-Gemeinde soll eine Frau vergewaltigt haben. Der Staatsanwalt ermittelt.

Altona. In seiner Predigt ging es um Schuld und Entschuldigung. Und darum, dass Gott von ehrlichen Menschen erwarte, dass sie zu dem stehen, was sie tun - auch, wenn es gerade mal nicht gut ist. Jetzt muss Pastor Michael G., 49, selber zu etwas stehen, das ganz und gar nicht gut ist. Ausgerechnet am Buß- und Bettag - wenige Stunden nach der Predigt - soll sich der Geistliche aus der Altonaer St.-Petri-Gemeinde im Gotteshaus an einer Frau vergangen haben.

Das Opfer meldete den Vorfall rund zwei Wochen später dem zuständigen Propst Horst Gorski. Daraufhin suspendierte das Kirchenamt den Pastor am 22. Dezember vom Dienst und schaltete Anfang Januar die Staatsanwaltschaft ein.

Nach dem Gottesdienst in der malerischen Backsteinkirche an der Schillerstraße gab es für die Gemeindemitglieder Rotwein und Knabberzeug. Nach Angaben der "Bild"-Zeitung endete der beschauliche Umtrunk in einem "Besäufnis", bei dem sich nach Mitternacht nur noch der Pastor und die Frau in der Kirche aufhielten.

Dann passierte das, zu dem der verheiratete Pastor jetzt stehen muss. "Ich wollte nach Hause, doch dann ging es mir schlecht", sagte die junge Frau zur "Bild". "Ich konnte nicht mehr stehen, mir war übel, schwindelig." Als ihr schwarz vor Augen wurde, setzte sie sich auf eine Kirchenbank. Dort bekam sie noch mit, dass sich der Pastor an ihrer Hose zu schaffen machte. An das, was danach passierte, kann sie sich angeblich nicht mehr erinnern.

Erst am nächsten Morgen kam sie wieder zu sich, als sie halbnackt auf dem Kirchenboden unter dem Talar des Pastors aufwachte. Der Geistliche, Vater dreier Kinder, lag neben ihr. Obwohl er ihr in den Tagen darauf mehrere E-Mails mit Entschuldigungen schickte, entschloss sie sich, den Vorfall seinem vorgesetzten Propst zu melden.

"Wir haben den Pastor vom Dienst entbunden, weil die gegen ihn erhobenen Vorwürfe auf eine Amtspflichtverletzung hindeuten", sagt Thomas Kärst, Pressesprecher der Nordelbischen Kirche. Ein kirchliches Disziplinarverfahren sei aufgenommen worden. Es ruhe aber, solange die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen andauern. Auf die Frage, warum die Kirche den Pastor erst rund zwei Wochen, nachdem der Übergriff bekannt wurde, suspendierte und die Staatsanwaltschaft erst knapp vier Wochen später informierte, erklärte Kärst: "Wir haben, nachdem uns die Vorwürfe erstmals erreichten, ein geordnetes Verfahren begonnen, das unter anderem dazu geführt hat, den Pastor bis zur Klärung der Angelegenheit von seinem Dienst zu entbinden. In den Weihnachtsgottesdiensten wurde dies der Gemeinde mitgeteilt." Es liege in der Natur der Sache, dass alle diese Schritte eine gewisse Zeit brauchen - hierfür spielten auch juristische und seelsorgerliche Gründe eine Rolle. "Gerade in derart sensiblen Fragen darf nicht gezögert, aber auch nichts überstürzt werden", so Kärst.

Weil in diesem Verfahren die Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten geschützt werden müssten, könne er keine Details zu den Gesprächen zwischen Kirche und Opfer preisgeben. Auch dürften die getroffenen Maßnahmen nicht als Vorverurteilung des Pastors missverstanden werden - sie dienten vielmehr dem Schutz aller Beteiligten.

Die Staatsanwaltschaft bestätigte, dass die Nordelbische Kirche den Pastor angezeigt hat, weil er ein "weibliches erwachsenes Mitglied des Kirchenvorstandes nach dem gemeinsamen Konsum von Alkohol auf der Kirchenbank sexuell missbraucht" haben soll.

Die Frau soll zur Tatzeit nahezu eingeschlafen gewesen sein und sich aufgrund ihres Alkoholisierungsgrades nicht gegen den Pastor habe erwehren können, sagte der Sprecher, Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. Das Landeskriminalamt werde jetzt mit den Ermittlungen wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person beauftragt.

Unwahrscheinlich ist allerdings - bleibt es bei der derzeitigen Spurenlage und allein der Aussage der Frau -, dass es zu einer rechtskräftigen Verurteilung des Pastors kommen wird. Für die Ermittler würde es in diesem Fall schwer, nachzuweisen, dass der Geschlechtsverkehr nicht einvernehmlich geschah und das Opfer möglicherweise aus Angst vor den Konsequenzen die Kirche über den Akt informierte.

Der Pastor ist seit zehn Jahren in der Gemeinde mit ihren 1800 Mitgliedern tätig. Der engagierte Geistliche soll sich erfolgreich für eine lebendige Gemeindearbeit eingesetzt haben. Bekannte beschreiben ihn als "nett und zurückhaltend". "Ich kann es mir nicht anders vorstellen, als dass bei beiden alkoholbedingt die Sicherungen durchgebrannt sind", sagt ein Kirchenmitglied.