Karl-Peter Naumann, 60, ist Bundesvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn.

1. Hamburger Abendblatt:

In Hamburg haben Reisende wegen eines Stromausfalls nachts in einem notbeleuchteten und schlecht beheizten ICE vor dem Bahnhof zwei Stunden lang festgesessen. Ist die Bahn nicht winterfest?

Karl-Peter Naumann:

Das Notfallmanagement funktioniert nicht richtig. Wir hatten kürzlich ein ähnliches Problem mit einem Regionalexpress in Tremsbüttel, der sogar erst nach vier Stunden evakuiert werden konnte. Die Lok, die den Zug abschleppen sollte, war in Hamburg zwar vorhanden. Sie konnte aber nicht abfahren, weil die Weiche eingefroren war. Man stelle sich vor, es wäre ein Feuer ausgebrochen. Da kann man auch nicht stundenlang warten. Dass eine Weiche oder die Kupplung einer Lok einfriert - das darf hier einfach nicht passieren. Dass der Strom ausfällt oder ein Zug liegen bleibt - damit muss man aber bei diesem Wetter durchaus rechnen.

2. Zugausfälle, Fahrplanänderungen, Verspätungen - Bahnchef Grube empfiehlt derzeit Kunden, Reisen zu verschieben. Ist das ein Eingeständnis des Versagens?

Naumann:

Er sieht schon, dass nicht alles funktioniert, wie es funktionieren sollte. Es ist bedauerlich, dass man eine solche Empfehlung aussprechen muss. Allerdings ist man in der Bahn bei diesen Wetterverhältnissen immer noch besser aufgehoben als auf der Straße.

3. Und im Sommer fallen dann in den Zügen die Klimaanlagen aus. Ist das Image der Bahn nachhaltig angeschlagen?

Naumann:

Ja. Ein ganz klares Ja.

4. Sind die Einsparungen bei der Bahn für die Probleme verantwortlich?

Naumann:

Ja, zu einem ganz großen Teil. Wir dürfen dabei nur nicht vergessen, dass die Einsparungen nicht auf dem Mist der Bahn gewachsen sind, sondern dass dies eine politische Vorgabe war. Hätte man nicht um jeden Preis gespart, wäre die Bahn trotzdem börsenfähig geworden. Ausschlaggebend für die Börse ist nicht nur, dass Gewinn gemacht wird, sondern dass ein Unternehmen zuverlässig ist und einen guten Ruf hat.

5. Welche Konsequenzen müssen gezogen werden, um neue Pannen bei der Bahn zu vermeiden?

Naumann:

Zunächst muss seitens des Eigentümers, dem Staat, sichergestellt werden, dass die Bahn ausreichend Mittel für das Bestandsnetz zur Verfügung hat. Die Gelder dürfen nicht nur in Großprojekte fließen, sondern auch in kleine Dinge wie Weichenheizungen. Die Bundesregierung könnte ein Zeichen setzen, indem sie auf die 500-Millionen-Gewinnabschöpfung jedes Jahr von der Bahn verzichtet und diese 500 Millionen in das Bestandsnetz und in Reservekapazitäten einbringt.