Lokalteil des Hamburger Abendblatts erscheint in der Weihnachtsausgabe zweisprachig. Plattdeutsch ist wieder im Kommen - bei Jung und Alt.

Hamburg. Sach bloß! Für Auswärtige übersetzt heißt das so in etwa: "Mannomann!" Es handelt sich dabei um eine Feststellung mittleren bis höheren Erstaunens. Zum Beispiel über die Tatsache, dass Plattdeutsch wieder im Kommen ist - bei Jung und Alt. "Nach dem Zweiten Weltkrieg war Plattdeutsch noch nie so angesagt wie heute", weiß Gerd Spiekermann, Platt-Profi bei NDR 90,03. Dass der Lokalteil des Abendblatts in der Weihnachtsausgabe ins Niederdeutsche übersetzt wird und somit erstmals zweisprachig erscheint, bewertet Spiekermann als "richtiges, wichtiges Zeichen, das für Norddeutschland ermutigend ist."

Den höchst lebendigen Beweis habe er Montagabend in der Kreuzkirche zu Wandsbek gesehen. 600 Zuhörer, davon viele Teens und Twens, lauschten der Gruppe Godewind, die groß aufspielte. Auch op Platt. Zuvor hatte die "Tüdelbänd" starken Applaus geerntet: Vier junge Leute fetzten lustvoll los. Op Platt.

Junge Autoren für niederdeutsche Musik und Bücher sowie Plattdeutsch als Unterrichtsfach an einigen Hamburger Schulen runden seinen Eindruck ab. "Das negative Stigma der vergangenen Jahrzehnte ist weg", weiß der überzeugte Norddeutsche: "Wer sich in der Sprache unserer Vorfahren unterhalten kann, ist modern." Auf Neudeutsch: Was früher peinlich war und altbacken wirkte, kommt heute cool an. Am 1. und 2. Weihnachtstag ist Spiekermann jeweils um 8.20 Uhr auf 90,3 zu hören. Der Titel seiner Sendung ist Programm: "Wi snackt Platt."

Von Haus aus gilt dies auch für Sandra Keck. Die 43 Jahre alte Cuxhavenerin, die diese Mundart vor 22 Jahren für das Theater erlernte, spricht mit ihrem Sohn Gregory hin und wieder auch Plattdeutsch. Ganz natürlich. "Das geht gut ins Ohr und in die Schnauze", weiß sie augenzwinkernd aus eigener Erfahrung. Für das Musical "Rock op Platt", das mit enormem Erfolg im Ohnsorg-Theater aufgeführt wurde, erhielt sie 2008 den Literaturpreis der Stadt Kappeln. An gleicher Stätte wird am 9. Januar 2011 das von ihr inszenierte Theaterspiel "Keerls dör un dör" gestartet. Für Quiddjes: "Männer durch und durch."

Auch Ohnsorgstar Sandra Keck erkennt einen klaren Trend hin zur niederdeutschen Mundart. "An den Schulen ist es längst nicht mehr uncool", sagt sie. "Und wer schon nicht Platt snackt, sollte es zumindest verstehen." In Bayern spreche praktisch jedes Kleinkind Dialekt, und niemand schäme sich deswegen - im Gegenteil. Diese Entwicklung erhoffe und erwarte sie auch für Norddeutschland.

Nicht nur Sandra Keck und Gerd Spiekermann fordern, Plattdüütsch mehr to fördern. Die Aktion des Abendblatts übermorgen sei ein großer Schritt in die richtige Richtung. Plattdeutsch zu lesen macht richtig Spaß, zu sprechen ebenso. Der liebliche Ton sorgt für zwischenmenschliche Nähe, ohne dass plumpe Vertrautheit entstehe. "So'n Schiet" klingt viel netter als die hochdeutsche Version. Diese Auffassung vertritt auch der "Plattdüütsch Root för Hamburg", der Plattdeutsche Rat der Hansestadt. Er kämpft dafür, dass Platt wieder präsenter wird. Sach bloß!