Der Hamburg-Teil in der Heiligabend-Ausgabe des Hamburger Abendblatts wird doppelt erscheinen: auf Hochdeutsch und auf Niederdeutsch

Altstadt. Hamburg ist Gegenwart, Hamburg ist Zukunft, aber Hamburg ist auch Vergangenheit mit seinen vielfältigen Erinnerungen an die Zeit, als die Großeltern noch jung und die Eltern selbst Kinder waren, damals, als die Pferdebahn durch die "Elektrische" abgelöst wurde, als Hamburg eine Hochbahn erhielt, die aber nicht nur hoch über der Straße fuhr, sondern auch im kühnen Bogen im Untergrund verschwand. Als die Gängeviertel, die verwinkelten und ungesunden Wohnquartiere der Arbeiterfamilien, niedergelegt wurden und moderne Kontorhäuser vom Dovenhof über das Chilehaus bis zum Pressehaus entstanden, ausgestattet mit so 'n neumoodschen Kraam wie Zentralheizung und Paternoster .

Der Hafen war noch ein Hafen, wie wir uns als Kind einen Hafen vorstellten, in der Speicherstadt herrschten die Quartierslüüd , und niemand wäre auf den Gedanken gekommen, einen Speicher zu einem teuren Konzertsaal umzubauen.

Das alte Hamburg starb im Bombenkrieg, und mit dem Wiederaufbau, der Modernisierung und dem Bevölkerungsaustausch gerieten viele Hamburgensien in den Hintergrund. Das galt besonders für die Umgangssprache, die vielen Ausdrücke und Redensarten, die alltäglich waren, als Großmutter noch 'n lütt Deern weer . Sie schlummerten nahezu vergessen in der Erinnerung.

Das Abendblatt hat die Erinnerung wieder lebendig werden lassen. Es begann im Herbst 2008, als sich - eigentlich eine redaktionelle Todsünde für eine Hamburger Zeitung - ein "Samstag" für Sonnabend , ein "Pfarrer" für einen evangelischen Pastor und sogar eine "Semmel" für ein Rundstück in den Text geschlichen hatten. Empörte Leserbriefe waren die Folge. Chefredakteur Claus Strunz, ein gebürtiger Franke, fragte die Leser: Kennen Sie noch weitere heimische Ausdrücke? Sprechen Sie Hamburgisch?

Die Resonanz war überwältigend. Eine Flut von Mails und Briefen erreichte die Redaktion. Zehntausende von Wörtern und Begriffen wurden vorgeschlagen, die die Hamburger früher gesprochen, gehört oder gelesen hatten. 602 Folgen der täglichen Hamburgisch-Rubrik haben wir bis heute veröffentlicht, und das Leserinteresse ist ungebrochen. Ich habe als Autor den Stoff in zwei Bänden der Mundartlexika "Sprechen Sie Hamburgisch?" zusammengefasst, und Hunderttausende von Hamburgern und Butenhamborgern haben diese Bestseller gelesen. Hamburgisch ist eine Abendblatt-Erfolgsgeschichte.

Das Hamburgische als Dialekt hat viele topografische und chronologische Erscheinungsformen. Es kann ein hochdeutscher Slang mit eigenwilliger Grammatik sein, es kann eine Mischung aus Hochdeutsch und Plattdeutsch sein, die wir Missingsch nennen, aber das alles fußt auf dem Hamburger Platt. Das Hamburger Abendblatt kehrt zurück zu diesen Wurzeln. In der Weihnachtsausgabe soll es den Lokalteil doppelt geben: einmal auf Hochdeutsch und einmal inhaltsgleich auf Plattdeutsch - ein Geschenk an die Hamburger, die mit der Heimat im Herzen in der Stadt verwurzelt sind.